Der deutsche Großschriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass hat unter dem Titel "Was gesagt werden muss" ein Gedicht veröffentlicht, in dem er gegenüber Israel eine pseudo-moralische Pose einnimmt: Es müsse endlich gesagt werden, dass "die Atommacht Israel den Weltfrieden gefährdet" und ein "Recht auf den Erstschlag" behauptet, der "das iranische Volk auslöschen könnte".

Das ist die Nobelpreisträgerversion der Stammtische und rechtsextremen Politiker: dass diese Juden endlich eine Ruhe geben sollen, weil sie schließlich selbst genug "Dreck am Stecken" (Jörg Haider) haben. Es ist darüber hinaus eine Lüge, weil Israels Regierung ja keinen atomaren Erstschlag, sondern einen konventionellen Angriff auf die geleugneten iranischen nuklearen Kapazitäten diskutiert.

Egal. Grass und all die "Das wird man ja noch sagen dürfen"-Zeitgenossen wollen im Grunde die bleibende Verantwortung für die Folgen des größten Verbrechens der Weltgeschichte abschütteln. Alles andere ist Brimborium.

Es gibt allerdings einiges, was zu Israel gesagt werden muss: dass Israel mit seiner Siedlungs- und Besatzungspolitik ins Unheil steuert; oder dass die Angriffspläne der Regierung Netanjahu gegen den Iran an Wahnsinn grenzen. Das muss allerdings von denen gesagt werden, die echte Freundschaft und Verantwortung für Israel empfinden. Aber nicht von Grass. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 6.4.2012)