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Symbolfoto eines Radarschirms, hier von der US-Flugüberwachung in Atlanta.

Foto: EPA/DAVID GOLDMAN / POOL

Neues aus der Abteilung Guck & Horch im Südkaukasus: Russland wird seine große Radaranlage in Aserbaidschan möglicherweise aufgeben und ins Nachbarland Armenien verlegen, näher an die Grenze zur NATO – und zur neuen Radarstation, die das US-amerikanische Militär im Vormonat im türkischen Taurus-Gebirge aufgesperrt hat. Denn die russisch-amerikanische Krise um das Raketenabwehrsystem, ein Geschenk der dahingeschiedenen US-Regierung des Präsidenten Bush junior, ist immer noch nicht ausgestanden. Eher im Gegenteil. Der Wiedereinzug von Wladimir Putin in den Kreml beflügelt die Rhetorik gegen Schild und Radar, von denen weiterhin nicht feststeht, ob sie technisch einmal in der Lage sein werden, Raketen aus dem Iran oder Nordkorea abzufangen. Die Russen glauben das sowieso alles nicht. Sagen sie zumindest. „Wir fürchten, ihr könntet ein Raketensystem errichten, dass auf uns abzielt“, erklärte dieser Tage Sergej Rabkow, einer der russischen Vizeaußenminister.

Für Armenien wäre eine neue große Radaranlage der russischen Armee keine schlechte Sache, sicherheitspolitisch betrachtet. Es würde das weitgehend isolierte Land (zwei der vier Nachbarn halten ihre Grenzen geschlossen) strategisch aufwerten und ihm eine gewisse zusätzliche militärische Garantie durch den Protektor Russland geben im Fall eines neuen Kriegs gegen das hoch gerüstete Aserbaidschan. Dass die russische Armee dann in einen solchen Konflikt von ihrer großen Militärbasis in Gyumri an der türkisch-armenischen Grenze aus eingreifen würde, scheint plausibel; ob sie es aber allein auf Seiten der Armenier tut, ist ungewiss, vorstellbar ist eher eine Rolle als früh eingesetzte, Frieden erzwingende Kraft. Der Abzug der Russen aus Aserbaidschan und der Ausbau der russischen Militärpräsenz im verfeindeten Nachbarland wäre auch unter dieser Prämisse noch ein Vorteil für Armenien.

 

Armeniens Regierungschef Tigran Sargsyan (nicht verwandt mit dem armenischen Präsidenten Serge Sargsyan) hat deshalb gleich zugegriffen, als sich beim Besuch in Moskau vergangene Woche die Gelegenheit für die Einladung der russischen Radar-Partie in sein Land ergab. „Warum nicht?“, antwortete er auf die offensichtlich abgesprochene Frage eines Journalisten der russischen Tageszeitung Kommersant: „Wenn unser Territorium solches Interesse hervorruft, sind wir bereit, die Angelegenheit zu beraten. … Ich glaube, es könnte hier sogar Vorteile geben, weil Armenien ein gebirgiges Land ist. Das Beobachtungsgebiet kann dadurch breiter werden.“

 

Nun ist auch Aserbaidschan gebirgig, und die noch aus Sowjetzeiten stammende Radaranlage in Galaba/Qalaba liegt in luftiger Höhe im Nordwesten, unweit des Shakh-Dag: ein Betonklotz, 16 Stockwerke hoch und mit angeblich 6000 Kilometer Radar-Sicht bis in den Indischen Ozean. Putin hatte einmal angeboten, die Amerikaner könnten die Anlage einfach mitbenutzen und auf ihren neuen Raketenabwehrsystem verzichten. Doch daraus wurde am Ende nichts. Mit einem neuen Mega-Radar etwas weiter im Westen in Armenien könnte die russische Armee nun die NATO wie den Nahen Osten ausleuchten. Wenn ihr das etwas bringt.

Warum die ganzen Umzugspläne? Als der stellvertretende aserbaidschanische Verteidigungsminister Mitte Februar nach Moskau kam, brachte er gleich auch die neuen Preisvorstellungen seines Präsidenten für die Pacht mit: 300 Millionen Dollar im Jahr statt bisher sieben. Macht also ein bisschen mehr als 2000 Prozent Preissteigerung, was auf den ersten Blick etwas vermessen scheint. Tatsächlich aber hatte Moskau schon zuvor bekannt gegeben, dass Galaba abgerissen, eine neue Radarstation gebaut und die 250.000 Hektar Land darum herum besser auch gleich gekauft werden sollen. Das treibt den Wert der Militär-Immobilie natürlich in die Höhe.

In Aserbaidschan beklagte man sich schon über mangelnde Informationen aus der Radarstation: über die Zahl der russischen Soldaten dort und über das, was sie da eigentlich alles beobachten. Ein neue große Gegen-Radaranlage zur NATO würde Aserbaidschan zudem nur in eine Konfrontation zwischen Ost und West ziehen, die gegen die Interessen des Landes sei, heißt es. Baku soll deshalb auch nur kurze Pachtverträge von fünf Jahre Dauer angeboten haben, um flexibel auf sicherheitspolitische Veränderung reagieren zu können. Passt den Russen alles nicht. Auch gut, meinte Ali Hasanow, der Sprecher des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew: „Wir haben nichts dagegen. Warum könnte der russische Außenposten in Armenien nicht auch ein Radarposten sein?“ Der Pachtvertrag für Galaba endet dieses Jahr.