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Der Asylgerichtshof, hier das Gebäude bei einer Kundgebung gegen die Abschiebepraxis in Österreich, bestätigte den Befund des Bundesasylamts, dass für die Karapetians keine Fluchtgründe vorlägen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Bald sind es 20 Tage, dass sie im Halbverborgenen leben, an einem unbekannten Ort. Und dort wollen sie bis auf weiteres auch bleiben, betont Arman Karapetian am Telefon. Denn an der akuten Abschiebegefahr und der aufenthaltsrechtlichen Aussichtslosigkeit für die fünfköpfige Familie Karapetian hat sich nichts geändert.

Im Gegenteil, seit vergangenen Mittwoch wankt auch die letzte Hoffnung der gut integrierten Armenier auf legalen Verbleib in Österreichs. "Unser Anwalt hat uns mitgeteilt, dass die Wiener MA 35 eine Vorabentscheidung gegen unseren Antrag auf humanitären Aufenthalt getroffen hat", schildert der 32-Jährige. Bei der MA 35 war am Montag niemand zu erreichen.

Flugtickets bereits reserviert

Am 27. März waren, wie der Standard berichtete, für die Karapetians schon Tickets im Abschiebeflieger nach Jerewan reserviert. Als die Abschiebenachricht sie ein paar Tage davor erreichte - die Fremdenpolizei überbrachte sie persönlich -, entzogen sich die fünf Erwachsenen - Vater, Mutter, Tochter, Sohn und Schwiegertochter - durch Verlassen ihrer Wohnung der Abreise. In der Woche vor dem geplanten Abflug war Armans Schwester Ani (28) von der Wirtschaftskammer noch feierlich eine Trophäe verliehen worden, weil sie Friseurmeisterin geworden ist.

Vater David Karapetian (52) absolvierte in diesen Tagen eine B1-Deutschprüfung - Deutsch auf Fremdsprachenmaturaniveau. Im Stress hat seither niemand nachgefragt, ob er bestanden hat.Denn gleichzeitig wurde Mutter Lilia nervlich alles zu viel: "Sie wurde depressiv, konnte nichts mehr essen", schildert Ani. Fünf Tage lag die 51-Jährige im Krankenhaus: "Wir hatten permanent Angst, dass dort die Fremdenpolizei auftaucht." 

"Katastrophe"

Jetzt gehe es der Frau etwas besser. Niemals in den sieben bis neun Jahren, seit die getrennt nach Österreich geflohene Familie um Asyl ansuchte, habe sie mit einer "derartigen Katastrophe" gerechnet - sagt Ani. Dass den Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde, habe sie keineswegs vorausgesehen. Doch das Bundesasylamt betrachtete es nicht als erwiesen, dass unser Onkel, ein ehemals hochrangiger Politiker, in Armenien zum Tod verurteilt und dann auf lebenslang begnadigt wurde, worauf wir als seine Angehörigen unter Druck gerieten", schildert die Friseurin.

Der Asylgerichtshof als höchste Asylin-stanz bestätigte diesen Befund ohne mündliche Verhandlung; ebenso der zuletzt angerufene Verfassungsgerichtshof.Da bei einem Asyl-Nein auch die Gründe abgeprüft werden, die gegen eine Ausweisung sprechen - im konkreten Fall hatte das Gericht keine festgestellt -, gilt die Abschiebung der Karapetians rechtlich als in Ordnung. Der Antrag auf humanitären Aufenthalt, der jetzt offenbar vor der Ablehnung steht, prüft in solchen Fällen nur, was nach dem Asyl-Nein an Integrationsschritten gesetzt wurde - so steht es im Gesetz: eine Regelung, in der sich schon so mancher Betroffener verfangen hat.

"Was noch vorweisen?"

So auch die Karapetians, allesamt unbescholtene Familienmitglieder, die zahlreiche Aus- und Weiterbildungen vorweisen können: Alle fünf haben Matura, der Vater hat in Armenien zwei Hochschulausbildungen abgeschlossen. Der Sohn hat dort ein Sportstudium absolviert, die Mutter war HNO-Krankenschwester. Seit sie in Österreich sind, haben drei der fünf Karapetians B1-Deutsch erlernt - und Ani könnte mit ihrem Meistertitel jederzeit einen Friseursalon eröffnen. Dass das alles nichts gelten soll, macht sie und Arman völlig ratlos: "Was soll man denn noch an Integrationsschritten vorweisen?" (Irene Brickner, DER STANDARD, 10.4.2012)