Günther Grass hat trotzdem nicht recht. Aber um zu erkennen, was an der heutigen politischen Konstellation in Israel unheilvoll ist, muss man sich die Reaktion des offiziellen Israel zu Gemüte führen:

Israels Innenminister Eliahu ("Eli") Jischai hat Grass zur Persona non grata erklärt, der deutsche Schriftsteller dürfe nicht einreisen. Denn mit seiner Kritik an Israels Plänen für einen Angriff auf die iranischen Atomanlagen sei der Nobelpreisträger "in die Kategorie Nazi gerutscht".

Dazu muss man wissen, welchen Schlages der israelische Politiker Eli Jischai ist. Er kommt aus der ultraorthodoxen Schass-Partei. Liberale israelische Journalisten bezeichnen ihn als "Le Pen mit Bart". Jischai beliebt es, Schwule und Lesben als "krank" zu bezeichnen, für die man hoffentlich eine Therapie finden werde; die illegalen Einwanderer in Israel, hauptsächlich aus Afrika, solle man in Arbeitslager in der Wüste Negev stecken, weil sie die Gefahr der Ansteckung mit Aids, Tuberkulose, Hepatitis etc. mit sich bringen. Die Palästinensergebiete dürften niemals aufgegeben und es müssten so viele Siedlungen wie möglich gebaut werden. Aber Jischais Schass-Partei garantiert Premier Benjamin Netanjahu das politische Überleben.

Das heißt, die religiösen Ultrarechten üben einen verhängnisvollen Einfluss aus. Und Günther Grass liefert ihnen einen herrlichen Vorwand, sich noch tiefer in ihrer Borniertheit einzugraben. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 10.4.2012)