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Ziel von Anschlägen: Die Redaktion der "Jyllands-Posten".

Foto: REUTERS/Scanpix/Martin Sylvest Andersen/Files

Kopenhagen/Stockholm - Dänemark hat für die Behandlung von Terrorfällen in aller Stille etwas eingeführt, was die dänischen Medien eine "geheime Gerichtsbarkeit" nennen. Die Enthüllungen der Tageszeitung "Jyllands-Posten" vom Sonntag sorgen mittlerweile für Aufmerksamkeit über dänische Landesgrenzen hinaus. Auf die gesonderte Rechtspraxis bei Terrorfällen war Jyllands-Posten bei Nachforschungen zu einem aktuellen Fall gestoßen: Am Freitag beginnt der Prozess gegen vier Männer, die verdächtig werden, als Rache für 2005 in der "Jyllands-Posten" veröffentlichte Mohammed-Karikaturen ein Blutbad in der Zeitung geplant zu haben.

Die Männer, von denen drei schwedische Staatsbürger sind, waren nach umfassender Zusammenarbeit zwischen dem dänischen Geheimdienst PET und dem schwedischen Dienst Säpo im Dezember 2010 festgenommen worden. Im bevorstehenden Prozess zählen die Ergebnisse der Telefonabhörung der vier Verdächtigen zu den wichtigsten Beweismitteln. Welches Gericht und welcher Richter dem Geheimdienst die Abhörung genehmigt hatte, geht aus den Unterlagen aber nicht hervor - in den Kopien, die Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorliegen, sind die entsprechenden Namen geschwärzt.

Nach dänischer Praxis stehen Richter mit ihrem Namen für die Urteilssprechung ein. Infolge der Anonymisierung könne er nun aber nicht ersehen, ob die Beschlüsse zur Abhörung auf rechtlicher Grundlage getroffen oder "einfach vom Geheimdienst zusammengeschrieben" worden seien, so Anwalt Kåre Tranberg Smidt. Dass auf diese Weise Kontrolle und Kritik der Angaben und somit eine sachkundige Verteidigung verhindert werde, sei nicht akzeptabel.

Wie "Jyllands-Posten" unter Berufung auf Mitarbeiter der Justiz berichtet, ist der bevorstehende Prozess bei weitem kein Einzelfall. Im Gegenteil sind demnach anonym gefasste Beschlüsse in Verbindung mit Terrorfällen seit Jahren gang und gäbe. Torben Jensen, Generalsekretär des dänischen Anwaltverbandes, sprach angesichts der Enthüllungen von einer "sehr bedenklichen" Entwicklung. "Außerordentlich beunruhigt" zeigte sich auch Jensens schwedische Amtskollegin Anne Ramberg: Wenn es um Terror gehe, sei man im Nachbarland offenbar bereit, rechtsstaatliche Prinzipien " gänzlich über Bord zu werfen". Stellungnahmen von Spitzenpolitikern stehen bisher aus. (Anne Rentzsch, DER STANDARD, 10.4.2012)