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Ein Lieblingsthema Florian Freistetters: Asteroideneinschläge - und warum wir uns davor nicht allzu sehr fürchten sollten.

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Florian Freistetter, Blogger und Buchautor.

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Wer vor fünf Jahren den Begriff Astrodicticum simplex bei Google eingab, erhielt damals einen einzigen Treffer. Der Begriff verwies auf die Erfindung eines deutschen Astronomen namens Erhard Weigel, der sich im 17. Jahrhundert einen "einfachen Sternenweiser" (das in etwa bedeutet "Astrodicticum simplex" auf Deutsch) einfallen ließ, mit dem man auf Himmelsobjekte deuten konnte.

Lässt man heute Google das Internet nach Astrodicticum simplex durchforsten, gibt es 115.000 Ergebnisse. Das liegt nicht daran, dass sich die Erfindung dieses wissenschaftlich nicht allzu bedeutsamen Astronomen aus Jena durchgesetzt hätte. Schuld daran ist der aus Österreich stammende und seit 2005 in Jena lebende Astronom und Wissenschaftsautor Florian Freistetter.

Der 34-Jährige betreibt seit vier Jahren unter diesem etwas sperrigen Begriff auf der Plattform scienceblogs.de den erfolgreichsten deutschsprachigen Wissenschaftsblog, dessen nackte Zahlen nicht nur für ein Astronomen-Online-Tagebuch beeindruckend sind: Freistetters Blog kommt pro Monat auf rund 400.000 Seitenaufrufe, seine Artikel erhalten knapp 200 Kommentare pro Tag, die Freistetter auch selbst freischaltet und moderiert. Auf Twitter hat er mittlerweile mehr als 4300 treue Follower. Angesichts dieser Resonanz nimmt es nicht weiter wunder, dass das Schreiben mittlerweile zum Hauptjob des gebürtigen Kremsers wurde, der ursprünglich "irgendwas mit Tourismus" machen wollte. Doch dann kam die Lektüre von Isaac Asimov und Stephen Hawking dazwischen.

Freistetter entschied sich für ein Studium der Astronomie an der Universität Wien, das er 2004 mit Auszeichnung und einer Dissertation über die Kollisionswahrscheinlichkeiten von erdnahen Asteroiden mit den Planeten des inneren Sonnensystems abschloss. Der frischgebackene Herr Doktor war zum leidenschaftlichen Astronomen geworden und wollte nichts anderes, als Wissenschafter werden.

Eine erste Postdocstelle in Jena folgte, wo er sich neben der Himmelsmechanik auch mit dem "ganzen Stern- und Galaxienkram" zu beschäftigen begann. Vor allem aber entdeckte Freistetter die Öffentlichkeitsarbeit: Der Jungforscher machte Führungen durch die Sternwarte in Jena, hielt populäre Vorträge ab - auch deshalb, weil er "Astronomie ganz super findet und das dem Rest der Welt vermitteln will". Außerdem ist Freistetter davon überzeugt, dass sein Fach "auch höchst relevant sein kann". Man denke nur an das Aufspüren von Asteroiden, die mit der Erde kollidieren könnten.

Nach zweieinhalb Jahren als Postdoc war der Astronom mit Mission 2008 einige Zeit arbeitslos und begann mit dem Bloggen, das sich prächtig entwickelte. Bald hatte er eine immer noch wachsende Fangemeinde, die nicht nur gut geschriebene Texte über Neuigkeiten aus der Astronomie zu lesen bekam, sondern auch darüber, warum Astrologie und andere Pseudowissenschaften keine Wissenschaft sind.

Zwischendurch ging es dann noch einmal kurz zurück in die Forschung. Doch damit ist es seit 2011 vorbei. Freistetter hatte die ständigen Ortswechsel und die unsichere Zukunftsplanung als Postdoc "einfach satt". Außerdem warf das Bloggen auch ein wenig Geld ab.

Im Moment sind es monatlich zwar nur knapp 1000 Euro für zwei Artikel täglich. Doch "Astrodicticum simplex" öffnete dem Autor die Türen zur Medien- und Verlagswelt. Seine klugen Beiträge zum Doch-Nicht-Weltuntergang 2012 gibt es seit kurzem auch als E-Book nachzulesen. Und dieser Tage erscheint im Verlag Ecowin auch gleich noch ein potenzieller Bestseller über kosmische Kollisionen, den Freistetter am Mittwoch und Donnerstag in Wien präsentiert.

Was er am 21. Dezember machen wird, weiß Freistetter noch nicht: "Vielleicht sperre ich mich angesichts des Trubels im Wohnzimmer ein, vielleicht sitze ich in einer TV-Show. Ich hätte auch nichts dagegen, den Tag ganz ausfallen zu lassen." (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 11.4.2012)