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Der Präsident und seine Frau vor ihrem Wahllokal in Paris, kurz nach der Stimmabgabe.

Foto: REUTERS/Benoit Tessier

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Abstimmung in Straßbourg.

Foto: REUTERS/Vincent Kessler

Am Sonntag morgen hat der erste Durchgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich begonnen, die Wahllokale öffneten um 8 Uhr Früh. Zum ersten Mal seit 30 Jahren könnt es sein, dass ein Präsident eine Wiederwahl verliert. Insgesamt stehen zehn Kandidaten zur Wahl. Wir berichten ab ca. 17 Uhr live.

  • Seit 1962 wird der französische Präsident direkt vom Volk gewählt. Seither schaffte noch nie ein Kandidat die Wahl im ersten Durchgang. Wird dies auch dieses Wochenende der Fall sein?

Auch wenn man mit Wahlprognosen generell vorsichtig sein soll: Dass ein Kandidat bei dem anstehenden ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent Stimmen erzielen wird, ist nach Menschenermessen auszuschließen. Bisher erreichte in Umfragen kein Kandidat mehr als 30 Prozent.

  • Welche beiden Kandidaten dürften in der Stichwahl zwei Wochen später (am 6. Mai) aufeinandertreffen?

Die Londoner Wettbüros setzen auf François Hollande und Nicolas Sarkozy. In den Meinungsumfragen liegt Hollande mit 27 bis 30 Prozent derzeit wieder relativ klar vor Sarkozy mit 25 bis 27 Prozent.

  • Sind die Umfragen in Frankreich zuverlässig?

 Sie gleichen sich zumindest sehr stark. Alle geben seit Monaten den gleichen Trend wieder: Hollande führte von Januar bis März klar, dann holte Sarkozy auf und zog gleich mit seinem sozialistischen Herausforderer. Auf der Zielgeraden hat Hollande wieder die Nase vorne.

  • Kann es eine Überraschung geben?

 Franzosen lieben es, den Politikern, Medien und Meinungsforschern – die alle zur ungeliebten Pariser Elite gehören – eins auszuwischen. Zum Beispiel geben längst nicht alle Wähler in Umfragen an, dass sie die Rechtsextremistin Marine Le Pen wählen werden. Deshalb stieß ihr Vater Jean-Marie Le Pen 2002 sensationell in die Stichwahl vor - wo die Wähler dann wieder „seriös“ wurden und Jacques Chirac mit 82 Prozent wählten.

  • Wie könnten die Franzosen denn diesmal gegen das vorgezeichnete Resultat einer Stichwahl Sarkozy-Hollande "aufbegehren"?

 "Überraschungs-Potenzial" haben am ehesten die "Motzer" Marine Le Pen auf der Rechten und Jean-Luc Mélenchon auf der Linken. Sie kommen in den Umfragen aber nur auf 14 Stimmenprozent, die Hälfte von Hollande und Sarkozy. Eine Überraschung wäre es allerdings schon, wenn Le Pen etwa 20 Prozent machen würde, Sarkozy hingegen nur 24 Prozent. Das wäre die Vorentscheidung für die Stichwahl.

  • Heißt das, dass Le Pen die Wahl mitentscheiden könnte?

Durchaus – wenn sie stark abschneidet. Das muss aber nicht einmal ihr Verdienst sein. Ihre Partei, der Front National (FN), ist ohnehin ein Auffangbecken für alle Unzufriedenen. Er ist immer dann stark, wenn die anderen schwach sind. Sarkozy ist zum Teil sogar auf der Rechten verhasst, und für den „Weichling“ Hollande haben viele Rechtswähler nur Verachtung übrig. )))

  • Und Mélenchon?

 Möglich, dass er Hollandes Chancen unfreiwillig schmälert, indem er ihm im ersten Wahlgang viele Stimmen wegnimmt. Aber auch in dem Fall wäre das nicht ganz so tragisch für Hollande, denn bei der Stichwahl wird Mélenchon klar zur Wahl Hollandes aufrufen.

  • Welche Rolle spielt der Zentrist Bayrou?

 Er könnte, wenn alles normal abläuft, in der Stichwahl Zünglein an der Waage spielen. Die Frage ist, ob – und wie - ihn Sarkozy dazu überreden kann, zu seiner Wahl aufzurufen. Bayrou, mit bäurischen Wurzeln im Baskenland, wird sich nicht so schnell erweichen lassen.

  • Sarkozy liegt in Umfragen so deutlich zurück, dass es selbst Hollande unheimlich wird. Zu recht?

Zumindest tut er so, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Damit will er verhindern, dass einzelne seiner Wähler gar nicht erst wählen gehen. Hollande fürchtet sich vor einer tiefen Stimmbeteiligung. Denn nicht zu vergessen: Viele Franzosen wollen ihn nur deshalb wählen, weil sie genug haben von Sarkozy. Hollande muss deshalb so stark wie möglich mobilisieren.

  • Lässt sich ein Rückstand im ersten Wahlgang in der Stichwahl wettmachen?

 Durchaus. Das hängt ganz von der Stimmübertragung durch die ausgeschiedenen Kandidaten ab. 1981 lag Valéry Giscard d’Estaing mit 28 Prozent vor dem Sozialisten François Mitterrane mit 26 Prozent; im zweiten Durchgang gewann aber Mitterrand mit 52 Prozent Stimmen.

  • Zum Schluss noch eine Prognose: Wer wird neuer Präsident von Frankreich?

Der mit dem längeren Atem. Eine französische Präsidentschaftswahl ist ein Langstreckenlauf. (((Sarkozy wirkt schon jetzt außer Puste. Aber es wird noch ein TV-Duell geben, und am Fernsehen ist er eher besser als Hollande. Wenn er überhaupt noch an sich glaubt.))) Man kann die Frage etwas vorsichtiger formulieren: Hat Carla Bruni wohl schon Umzugsmänner im Elysée reserviert?

  • Wann werden heute abend die Resultate des ersten Wahlgangs bekannt?

Punkt 20 Uhr, wenn die Wahllokale schließen. Dann geben die Medien sofort Hochrechnungen heraus. Und diese sind relativ zuverlässig, da die Redaktionen ab 18 Uhr über erste Anhaltspunkte verfügen. Bis 20 Uhr dürfen sie aber nichts publizieren, sonst zahlen sie hohe Bußen. Das Ausland muss sich aber nicht daran halten. Das Westschweizer Fernsehen, die belgische RTBF oder die Brüsseler Zeitung Le Soir werden schon ab 18 oder 19 Uhr Schätzungen abgeben. Nach 20 Uhr gibt es genaue Zahlen auf den Online-Ausgaben der Pariser Sender wie TF1, BFM, i-tele oder France2. (Stefan Brändle, derStandard,at, 22.4.2012)