Alle Materialien, Transportwege und die Produktion eingerechnet, verursacht der Drehstuhl "paro" so viel CO2 wie ein Privatauto mit einer Tankfüllung.

Foto: Wiesner-Hager

Wien - Alles Bio. 100 Prozent Fair Trade. Nachhaltig und CO2-neutral produziert. Einsatz von ausschließlich natürlichen Produktstoffen garantiert. Erneuerbare Energie effizient eingesetzt. Umweltfreundlich und naturschonend. Kreativ waren sie, die Marketing-Abteilungen von Unternehmen auf der ganzen Welt, um ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren. Noch mehr Imagegewinn lässt sich machen, wenn die grünen Bemühungen mit Öko-Labels versehen werden.

"Mittlerweile gibt es zwölf verschiedene Umweltzeichen alleine bei uns", sagt Markus Wiesner zum Wildwuchs bei grünen Labels. Nicht, dass sich der Geschäftsführer des oberösterreichischen Büromöbel-Unternehmens Wiesner-Hager gegen grüne Auszeichnungen wehren würde. Aber Wiesner beschreitet mit der Ausweisung von nackten (Umwelt-) Zahlen lieber neue Wege.

Ökobilanz für jedes Produkt

Ab sofort bietet die Firma mit Stammsitz in Altheim für jedes Produkt im Portfolio eine Ökobilanz an. In der sogenannten Umwelt-Produktdeklaration (EPD) werden umweltrelevante Informationen von der Rohstoffgewinnung über Transport, Produktion und Energieverbrauch bis hin zur Entsorgung angeführt. Als Quintessenz ist für den Käufer sichtbar, wie viel CO2 etwa ein Drehstuhl zeit seines, nun ja, Lebens verursacht. Damit können umweltbewusste Kunden vergleichen und neben Preis und Qualität auch die ökologische Auswirkung eines Produkts direkt als Entscheidungskriterium heranziehen. Die Ausweisung dieser Umweltdaten wurde vom TÜV Austria geprüft und zertifiziert.

So gibt es Stühle im Angebot, die je nach Material (Holz, Metalle, Kunststoffe, Farbe etc.) und Transport eine CO2-Kennzahl zwischen zehn und 50 Kilogramm aufweisen. Drehstühle sind umweltschädlicher und emittieren um die 80 Kilo. Den überwiegenden Anteil trägt die Rohmaterialgewinnung, bei Drehstühlen kommt aber noch die Verwendung von Hydrauliköl dazu.

Konzerne hüten sich vor Transparenz

Wobei der Begriff "umweltschädlich" richtig eingeordnet werden muss. " Ein Bürostuhl verursacht bei der Herstellung so viel CO2 wie ein Privatauto mit einer Tankfüllung", sagt Wiesner. Bei den Autos wird zwar der CO2-Ausstoß angeführt. Anders als bei einer EPD wird aber nicht die Klimabelastung bei der Herstellung mitgerechnet. Ohne einen Kilometer gefahren zu sein, hat ein Mittelklassewagen bereits rund fünf Tonnen CO2 verbraucht.

Bei diesen Zahlen ist klar, dass sich viele Konzerne davor hüten, freiwillig so viel Transparenz bei der Klimabelastung zu zeigen. Stattdessen tönen sie weiter Werbebotschaften mit grünem Anstrich. Einzig in der Bauwirtschaft werden immer öfter EPDs verlangt. Diesbezüglich hat sich das Institut für Bauen und Umwelt (IBU) in Deutschland hervorgetan, das als einzige unabhängige Institution diese Deklarationen vergibt. Auch österreichische Firmen haben dort um EPDs angesucht. Der Tiroler Holzwerkstoff-Konzern Egger erhielt vor kurzem die erste Umwelt-Produktdeklaration im Bereich Schnittholz.

Kein Interesse in Österreich

"In Österreich tut sich diesbezüglich wenig", sagt Wiesner dem Standard. Er verweist auf die Eigeninitiative des Unternehmens und auf das Fehlen einer international anerkannten Zertifizierungsstelle für EPDs. Gerhard Steigthaler, der im Unternehmen für Umweltschutz zuständig ist, ergänzt: " Auch bei den österreichischen Kunden besteht derzeit kein Interesse an diesen Daten." In Deutschland und den Niederlanden, wo sich Messzahlen über Umweltauswirkungen von Produkten etabliert haben, ist der Vorstoß von Wiesner-Hager bemerkt worden. Wiesner: "Wir bekommen vermehrt Anfragen." (David Krutzler, DER STANDARD, 3.5.2012)