Vom 16. bis 19. Mai versammelten sich fast 30.000 Menschen in Frankfurt am Main, um ein Zeichen gegen die europäische Krisenpolitik zu setzen (derStandard.at berichtete). Eine Politik, die vor allem auf dem Rücken jener ausgetragen wird, die sie nicht verursacht haben: Beschäftigte, Erwerbslose, PensionistInnen, prekär Beschäftigte, Studierende, Flüchtlinge ...

Schreckensszenario im Vorfeld verbreitet

Die Menschen kamen nach Frankfurt, um Plätze in der Innenstadt zu besetzen und - im Sinne der Occupy-Bewegung - Diskurs und Austausch über die "Eurokrise" in der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Mehr als 70 Veranstaltungen waren dazu geplant, etwa die Blockade der Europäischen Zentralbank (EZB) am Freitag und die große internationale Demonstration zum Ausklang der Aktionstage.

Das hessische Innenministerium und die Stadt Frankfurt verbreiteten im Vorfeld ein Schreckensszenario von brutalen randalierenden DemonstrantInnen und verboten alle angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen im Zeitraum der Aktionstage - ein Entschluss, von dem die VeranstalterInnen pikanterweise aus den Medien erfuhren und der vom Verwaltungsgerichtshof Frankfurt und Hessen als nicht zulässig erklärt wurde.

Bankenviertel in Ausnahmezustand

Die Demonstration am Samstag wurde schließlich doch noch genehmigt. Hingegen wurde das Vorhaben der DemonstrantInnen, die EZB zu blockieren, von der Polizei selbst "viel effizienter umgesetzt": Die Exekutive versetzte das gesamte Frankfurter Bankenviertel von Mittwoch bis Samstag in Ausnahmezustand. Bankangestellte zogen sich in Ausweichquartiere zurück, die von den Banken für Zeiten terroristischer Bedrohung eingerichtet worden waren, und "wichtige" BankerInnen flogen nach London, da der Finanzplatz Frankfurt als zu unsicher galt.

Viele Angestellte blieben auf Empfehlung der Polizei gleich zu Hause oder kamen "verkleidet" (ohne Anzug oder Kostüm) in die Bank. Zur selben Zeit wurden Versammlungen sofort aufgelöst, es regnete Aufenthaltsverbote und Platzverweise, und hunderte Menschen wurden in Gewahrsam genommen.

Inhalte schwer transportierbar

Angesichts der permanenten Polizeipräsenz wurden Inhalte und Beweggründe der Protestbewegung weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannt. Selbst eine kleine Kundgebung zum Thema "Land-Grabbing" und Hungerkrise in einem anderen Stadtteil wurde sofort von der Polizei eingekesselt und aufgelöst.

Die Erfahrungen aus Frankfurt zeigen nur allzu deutlich: Wenn es um Kritik an mächtigen Institutionen wie der EZB geht, wird das im Grundgesetz verankerte Versammlungsrecht mit rasender Geschwindigkeit ausgehebelt, und absolut friedliche AktivistInnen werden plötzlich als Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargestellt.

Das massive Polizeiaufgebot in Frankfurt stand in keinem Verhältnis zu den Aktionen. Die PolizistInnen kamen nicht mehr ihrer eigentlichen Aufgabe nach, nämlich für die Sicherheit aller Beteiligten zu sorgen, sondern mussten die Repression friedlicher Proteste ausführen.

Polizei als Puffer zwischen Politik und Gesellschaft?

Leider fehlt eine kritische mediale Diskussion über den demokratiepolitischen Umgang mit der Protestbewegung gegen die massiven politischen Veränderungen in Europa. Vor allem die österreichischen Medien schwiegen sich auffallend aus.

Wo bleibt der Diskurs?

Dabei ist gerade dieser Diskurs zentral für eine funktionierende Demokratie. Rufen die steigende Brutalität von Polizei und Verwaltung und die autoritäre Aushebelung von Grundrechten kaum noch Empörung in Medien hervor, ist es mittlerweile möglich, die immer stärker werdenden sozialen Bewegungen in einen entpolitisierten Kontext zu stellen und zur Last - oder sogar zur Gefahr - für die Demokratie zu erklären.

Blockupy Frankfurt ist dafür ein Beispiel. Eine politische Demonstration ist aber nicht notwendiges Übel, sondern unverzichtbarer Bestandteil einer demokratischen Öffentlichkeit. (Julianna Fehlinger, derStandard.at, 28.5.2012)