"Diablo 3" (Activision-Blizzard) ist für Windows und Mac erschienen.

screenshot: derStandard.at

Wie immer treibt Blizzard bedeutende Entwicklungen der Geschichte in hervorragenden CGI-Zwischensequenzen weiter.

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Aber auch die kurzweiligen Ingame-Dialoge vertiefen die Inszenierung. Geschwafelt wird nie.

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Partycrasher. Freunde können auf Wunsch euren Solo-Spielen jederzeit beitreten.

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Der Barbar hat keine Berührungsängste und liebt es, sich in Gegnermassen zu stürzen.

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Der Hexendoktor mag es eigentlich nicht, allzu nah an seine Gegner heranzukommen. Die alternative Kameraperspektive dient übrigens nur der Betrachtung von Ausrüstungsgegenständen. Spielbar ist "Diablo 3" so nicht.

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Blizzard ließ die Fans wirklich warten. Zwölf Jahre. Menschen, die bei der Veröffentlichung von "Diablo 2" noch nicht auf der Welt waren, haben sich heute längst zwischen Gymnasium und Hauptschule entschieden. Die Ärmsten wussten nicht, was sie verpasst haben. Das war gemein. Deshalb hat das Traditionsstudio nun doch einen dritten Teil nachgeschoben.

Der hat sich auf den ersten Blick nicht allzu sehr verändert. Ein unerschütterlicher Held, eine isometrische Perspektive und massenhaft kaputtklickbare Monster erwarten Spieler. Auf den zufallsgenerierten Spielfeldern des Action-RPG folgt man einer linearen Geschichte, die zwar nicht verdient, episch genannt zu werden, allerdings auch keineswegs belanglos oder uninteressant ist.

In vier Akten metzelt man über Wiesen, durch Wüsten, in eisigen Festungen und einer höllischen Endwelt. Und wenn man damit fertig ist, beginnt man auf einem höheren Schwierigkeitsgrad von neuem, um bessere Waffen und Fertigkeiten zu sammeln. Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Rolle der Menschheit zwischen Engeln und Dämonen, Gut und Böse, Schicksal und Selbstbestimmung. Beim zweiten Durchlauf interessiert das aber sowieso niemanden mehr.

Sammeln bis die Sonne aufgeht

Es ist die Sammelwut, die "Diablo" schon immer ausgemacht hat und auch den dritten Teil definiert. Irgendwo wird ein sterbender Gegner schon noch eine feinere Klinge, einen tödlicheren Bogen oder ein magischeres Amulett fallen lassen. "Nur noch kurz" eine dunkle Stelle auf der Karte zu durchsuchen, den nächsten Bossgegner zu knacken oder das knapp bevorstehende Level-Up zu erspielen, wächst sich noch in so manche Spielstunde aus.

Als erste, vergleichsweise vorsichtige Änderung sticht sich die Optik heraus. Wer die Welt schon in früheren Teilen erlebt hat, wird - ob es ihm passt oder nicht - einen farbenfroheren Stil erkennen. Wertfrei betrachtet begrüßt den Spieler immer noch der düstere, nächtliche Look einer mittelalterlich anmutenden Stadt, die von dämonischen Feinden umzingelt ist. Optisch haut das nicht von den Socken. "Diablo 3" ist kein Spiel, das High-End-Rechner zum Wimmern bringt. Dafür war Blizzard auch noch nie bekannt.

Traditionelle Detailverliebtheit

An der Stimmigkeit und atmosphärischen Dichte der Szenerie kann jedoch wie gewohnt niemand mäkeln. Hier wurde weder gehudelt noch geschlampt. Die Liebe der Entwickler für das Spiel liegt erkennbar im Detail. Man findet sie bei den Dorfbewohnern, die im Vorbeigehen über den Helden sprechen. An den Reaktionen, die dessen Taten auslösen, den am Boden krabbelnden Tierchen, die er beim Drauftreten zergatscht und der teilweise zerstörbaren Umgebung. Bei den CPU-Begleitern, deren Geschichte sich langsam aufdeckt. Oder darin, dass jede der fünf Charakterklassen in jeweils männlicher und weiblicher Ausprägung eigens vertonte Zwischensequenzen und Dialoge haben.

Die Ähnlichkeiten zum Vorgänger sind so klar erkennbar, dass sich "Diablo 3" zu Beginn ein bisschen wie ein Remake, eine konservative Modernisierung eines in die Tage gekommenen Spiels anfühlt. Ein echtes Risiko ging Blizzard beim Spielprinzip nicht ein.

Aber spätestens bei der Entwicklung der Avatare beginnen die Veränderungen. Schon die Klassen sind andere. So wirbelt man zwar immer noch als Nahkampf-versessener Barbar durch Gegnermassen oder macht als zerstörerischer Zauberer die abwechslungsreichen Levels unsicher. Doch Totenbeschwörer, Assassine, Paladin, Amazone und Druide sind nicht mehr. Stattdessen schießt man als auf Distanz bedachte Dämonenjägerin um sich, beschwört als passiv-aggressive Hexenjägerin die Natur an seine Seite oder stürzt sich als agiler, von Auren geschützter Mönch auf das Böse. All diese Klassen spielen sich ausreichend unterschiedlich.

Wurschtigkeit

So weit, so unumstritten. Aber wo früher ein bedeutsamer Skillbaum für eine merkbare Ausdifferenzierung zwischen den Charakteren einer Klasse sorgte, ist nun wesentlich flexibleres Spielen erlaubt. Mit der Zeit erlernt der Avatar alle möglichen Fähigkeiten, derer er sich bis zu sechs auf Hotkeys legen kann. und kann jederzeit ummodelliert werden.

Den Unterschied zwischen dem einen und anderen Gleichklassigen macht nun vor allem die Ausrüstung, die entweder gesammelt, getauscht oder (oh glücklicher Zufall) im spieleigenen Auktionshaus ver- und gekauft werden kann - künftig auch gegen echtes Geld. Edelsteine, mit denen Gegenstände teilweise verbessert werden können, sind unschwer wieder aus diesen herauszutrennen.

Nur Hardcorespieler schmerzt der Tod

Sogar der Tod verliert den letzten Rest seines Schreckens. Ist der Charakter einmal nicht zu retten (und das wird vor allem im recht einfachen ersten Durchlauf kaum passieren), verursacht das nicht mehr, als einen Substanzverlust der Ausrüstung (der sich aber über einen verkraftbaren virtuellen Obulus wieder beheben lässt). Ansonsten startet man voll ausgerüstet wieder beim letzten Checkpoint, die Gegner, die einem den Garaus machten, bleiben für den nächsten Anlauf sogar geschwächt.

Wer für Fehler bestraft werden will, spielt im Hardcore-Modus. Dort bedeutet das Ableben allerdings gleich das immerwährende Ende des Charakters. Ein durchaus radikaler Unterschied, der den Nervenkitzel wesentlich verstärkt, aber nur frustresistenten Spielern zu empfehlen ist. Ohne diesen zustätzlichen Anreiz sind praktisch alle Entscheidungen, die man bei der Charakterentwicklung und -ausrüstung trifft, konsequenzlos und reversibel. Das erlaubt
Experimente und Flexibilität, macht aber die Charaktere auch beliebiger.

Die Tücken der Technik

Der Abspann von "Diablo 3" dauert fast 20 Minuten. So viele Menschen haben an der Entstehung dieses Spiels mitgearbeitet. Sie alle konnten nicht verhindern, dass beim Launch ziemlich viel schief ging. Nicht nur Hacker hatten es auf den Betrieb abgesehen, die Server waren vor allem dem legalen Ansturm nicht gewachsen. Das ist einem Unternehmen schwer zu verzeihen, dass mit dem weltweit beliebtesten MMORPG sein Geld verdient. Aber es waren immerhin über sechs Millionen Menschen, die in der ersten Woche mitmachen wollten.

Besonders bitter waren die Probleme für all jene, die "Diablo" nicht unbedingt als Multiplayer-Spiel verstehen, sondern gern allein Gegner tot-klick-klick-klicken. Denn obwohl es sich nicht als MMORPG preist, einen echten Offline-Modus hat das Programm nicht mehr. Auch wer allein auf Dämonenjagd geht, muss auf den offiziellen Servern spielen und sich deren Kontrolllust unterziehen. Absurditäten inklusive: Ein Nickname mit dem man sich seit Jahrzehnten durch das Internet bewegt, wird vom Spiel schon mal als „unpassend" abgelehnt.

Ärgerliche Kinderkrankheiten

Dieser "Always-On"-Zwang , der natürlich auch dem Schutz des spielinternen Tradingsystems gilt, hat auch bedeutendere, negative Auswirkungen: Ist der Andrang gerade wieder zu groß, wirft euch das Spiel einen "Error 37" beim Login entgegen und sperrt euch aus. Wer ein paar Minuten den Rechner verlässt, kann die Verbindung verlieren und muss einen Levelabschnitt neu spielen. Mit etwas Pech führt plötzliches Lag zu einem jähen, erfolglosen Ende eines Kampfes. Muss Blizzard die Server warten, ist das Spiel unbenutzbar.

Nach den ersten Wochen wird das meiste kaum noch eine Rolle spielen. Für die bis zu 60 Euro, die man für "Diablo 3" als digitalen Download (der 7,7 GB groß ist - wer etwa die englische Sprachdatei dazulädt, saugt noch einmal 2,5 GB) löhnen soll, ist es dennoch schwer zu akzeptieren.

Doch so ärgerlich diese Dinge sind, die Verlagerung des Solospiels auf den Server kommt nicht ganz ohne Grund und Nutzen. Blizzard lässt die Grenzen zwischen Einzel- und Multiplay verschwimmen. Jederzeit könnt ihr eure Solo-Abenteuer zum öffentlichen Spiel erklären und andere Gamer beitreten lassen. Während ihr allein durch einen Dungeon metzelt, können sich befreundete Spieler jederzeit einklinken (sofern ihr die Option nicht deaktiviert). All das ist deppensicher integriert. Gäbe es nicht die genannten Nebenwirkungen, es wäre einfacher diesen visionären Ansatz zu loben.

Fazit

Bedauerlich, dass technische Mängel den Launch so stark geprägt haben. Ärgerlich, dass das auch Einzelspieler trifft. Das einzige konzeptionelle Risiko, das Blizzard bei der Entwicklung genommen hat, ist die Aufhebung der Trennung von Off- und Onlinespiel. Bei vielen Spielern fiel das wegen der Probleme gleich in Ungnade. Doch auch wenn diese Neuerung nicht jedem nützt, ist sie doch ein spannender Einfall, der auch gut umgesetzt wurde.

"Diablo 3" ist eine gelungene Fortsetzung, die jene Tugend pflegt, die man an Blizzard-Spielen seit langem schätzt: Das Rad wird nicht neu erfunden, aber bis zur nahezu perfekten Rundung geschliffen. An manchen Ecken wird für den Geschmack alteingesessener Spieler zu viel gestreamlint worden sein. Doch wenn man wieder einmal um 3 Uhr morgens ausloggt und ungläubig auf die Uhr blickt, weiß man, dass das nichts an der herausragenden Qualität des Spiels ändert. (Tom Schaffer, derStandard.at, 28.5.2012)

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