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Mitbewerber prüfen einzelne Filialen, die Mitarbeiter resignieren.

Foto: AP/Schürmann

Wien – "So geht es nicht mehr weiter. Da ist es wohl besser, ganz zuzusperren." Die Verkäuferin zeigt auf spärlich bestückte Regale, in ihrer Stimme schwingt die Resi gnation. Seit sieben Jahren arbeite sie für Schlecker, sich nun einen neuen Job suchen zu müssen, damit habe sie sich längst abgefunden. Seit Wochen werde ihre Wiener Filiale nur mit einem Drittel der nötigen Ware beliefert. "Kunden geben mir die Schuld dafür."

Informationen über das Schicksal ihres Arbeitgebers erfahre sie nur aus den Medien, erzählt eine Kollegin eines Geschäftes ein paar Straßenzüge weiter. "Wenn es aus ist, ist es aus. Ich hoffe anderswo im Handel unterzukommen." Die sich leerenden Regale machten sie traurig. Statt sechs Containern seien zuletzt nur noch zwei gekommen. "Den Kunden tut es leid um uns, 90 Prozent sind ältere Leute."

Online ist Schleckers Welt noch in Ordnung. Vom Durchstarten ist auf der Homepage die Rede – und den größten Investitionen der Un- ternehmensgeschichte. Einen "su- per Freitag" versprechen Plakate an den Geschäftsfassaden und locken mit Rabatten quer durch das Sortiment. "Zynisch ist das", kommentiert eine Kundin, "der Abverkauf hat wohl schon begonnen."

Zerschlagung

Der Freitag besiegelte das Ende des deutschen Handelsriesen. Die Gläubiger sehen keine Perspektive für eine wirtschaftlich vertretbare Fortführung oder für den Gesamtkonzern, teilte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz in einer Aussendung mit. Die Zerschlagung ist beschlossen: In Deutschland verlieren mehr als 13.200 Mitarbeiter den Arbeitsplatz. Sie erhalten bis Ende Juni ihre Kündigung.

Geiwitz spricht von inakzeptablen Kaufangeboten. Um Schlecker gepokert hatten zuletzt Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen und Investor Cerberus. Die Verluste seien zu hoch. Mehr als 4400 Kündigungsschutzklagen erwiesen sich als Ballast, die Einkaufskonditionen hätten sich verschlechtert.

Die Kette startet in Deutschland den Ausverkauf. Immobilien und Logistikstandorte sollen veräußert werden, die Auslandstöchter versilbert. Allein den zwei Firmen Ihr Platz und Schlecker XL wird weiter Eigenständigkeit zugesichert.

3000 Arbeitsplätze wackeln

In Österreich beschäftigt Schlecker an 930 Standorten 3000 Mitarbeiter, fast ausschließlich Frauen. Geiwitz plant den Verkauf des Betriebs. Viele Kreditschützer erwarten jedoch das gleiche Schicksal wie in Deutschland: Die Mutter werde ihre Tochter mit in die Insolvenz ziehen, die Abwärtsspirale sei kaum noch aufzuhalten.

Schlecker werde schon bisher nur noch gegen Barzahlung beliefert, nun drohten massive Engpässe. Bleiben deswegen Kunden aus, fehle die Liquidität, um die Gehälter zu zahlen. Trotz Gewinnen in Österreich im Vorjahr sei die operative Bilanz mager. Der Großteil seien Finanzerträge – Geld, das die Familie Schlecker im Land parkt. Die Kapitaldecke sei relativ dünn, räumt Firmenanwalt Klaus Ferdinand Lughofer ein. Starke Verluste im laufenden Jahr weist er zurück. Forderungen an den Mutterkonzern von 169 Millionen Euro könnten verpuffen. Für sie werde es bestenfalls eine knapp zweistellige Quote geben, ist zu hören. Das Eigenkapital sei damit dahin.

Mit drei Interessenten will Lughofer verhandeln. Bettina Selden, Chefin der Prisma Kreditversicherung, hält einen Händler erforderlich, der Geld in die Hand nehme, auf eigenen Einkauf, eigene Lager zurückgreifen könne. "Wir sehen diesen nicht." Für Finanzinvestoren sei ein Einstieg ohne internationale Anbindung mitsamt guter Einkaufskonditionen wenig sinnvoll. "Wir sind pessimistisch."

Investor braucht Zeit

Peter Schnedlitz, Experte an der Wirtschafts-Uni Wien, glaubt nicht mehr an ein Überleben der Österreich-Tochter. Ein Investor brauche Zeit, die Schlecker nicht mehr wirklich habe, sagt Wolfgang Hrobar vom Alpenländischen Kreditorenverband. Andere sehen nur Restlverwerter ums Geschäft bieten. Insgesamt seien für Händler allein einzelne Shops interessant.

Erich Schönleitner will einige für Nah & Frisch prüfen, sagt der Chef des Großhändlers Pfeiffer dem Standard. Sperre Schlecker Österreich zu, "stärkt das unsere Kaufleute". Sie sind für die Drogeriekette am Land der stärkste Rivale; Schönleitner will den Anteil an Non-Food-Sortiment noch ausbauen. Weitaus schärferer Wind weht Schlecker in Wien entgegen: Der Markt ist fest in Hand von Bipa und DM – die Lage hier sei katas trophal, heißt es im Unternehmen.

Gewerkschafter Karl Proyer hält am Optimismus fest. Er hofft weiter auf neue Perspektiven für den Konzern und sichert den Mitarbeitern Unterstützung zu. Im Hintergrund wird bereits an einer österreichweiten Stiftung und neuen Jobmöglichkeiten gearbeitet.

Schade wäre es um die Marke, seufzt eine ältere Dame vor einer Schlecker-Filiale. "Es geht halt die Vielfalt verloren." "Billig war es. Aber so wie die mit den Mitarbeitern umgegangen sind, tut es mir um das Unternehmen nicht leid", meint eine andere Kundin knapp. (Verena Kainrath, DER STANDARD; 2./3.6.2012)