Im Kurs lernen die Kinder Vokabeln zu unterschiedlichen Themengebieten. Der Bub links gebärdet "Katze", ...

Foto: Kinderhände

... der Bub rechts zeigt die Farbe Blau.

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Doch auch Umgangsformen wie "Danke" sagen sind im Kurs wichtig.

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Der Verein wurde 2005 von Barbara Schuster (li.) und Andrea Rohrauer gegründet.

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Die kleine Emilie sitzt lachend auf dem Fußboden und klopft mit den zugespitzten Fingern der rechten Hand auf die geöffnete Handfläche ihrer linken Hand. Ohne ihre Finger zu öffnen, berührt sie anschließend mit der rechten Hand ihre Backe. Sie wiederholt die Bewegungen immer wieder, obwohl die Erwachsenen rund um sie bereits verstanden haben: Sie möchte das Bienenlied noch einmal hören. 

Emilie ist fast eineinhalb Jahre alt, spricht noch nicht viel und doch schon so gut. Sie ist eines von fünf hörenden Kindern in der bilingualen Spielgruppe für Gebärdensprache des Vereins Kinderhände und hat soeben die Vokabeln "noch einmal" und "Biene" gebärdet. Gemeinsam mit ihrer Mutter besucht sie einmal wöchentlich den Verein in der Schönbrunner Straße im fünften Wiener Bezirk.

Viele hörende TeilnehmerInnen

Obwohl Emilie hören kann, hat sie ihre Mutter für die Spielgruppe angemeldet. So ist es möglich, noch vor der Sprachentwicklung der Kleinen mit ihr detaillierter zu kommunizieren. Nahezu täglich lernt sie neue Gebärden wie "Apfel", "Hund" oder "Schlafen", sagt ihre Mutter. 

Für Eltern, die mit sehr kleinen Kindern in die Kurse kommen, ist das auch der Hauptantriebsgrund, erzählt Andrea Rohrauer, eine der Leiterinnen des Vereins. Mittlerweile würden viele Eltern-Kind-Paare, die zuvor keinen Bezug zur Welt der Gehörlosen hatten, an den Angeboten teilnehmen. Und das, obwohl der Verein Kinderhände im Jahr 2005 gegründet wurde, um entweder Sprachkurse in der Österreichischen Gebärdensprache für hörende Eltern mit gehörlosen Kindern oder die umgekehrte Kombination anzubieten. Damit ist das Programm des Vereins einzigartig in Österreich.

Nicht "sprachlos"

In der Altersklasse von sechs Monaten bis zu 14 Jahren werden Kinder und Jugendliche jeweils von einem gehörlosen und einem hörenden Trainer unterrichtet. Dass die Kurse bilingual abgehalten werden, hat den Vorteil, dass gehörlose Kinder ihre Muttersprache, aber auch die Lautsprache der hörenden Welt kennenlernen. 

"Manchmal werden die Kinder weder in die eine noch in die andere Sprache eingeführt und werden so sprachlos, weil sie mit ihrer Außenwelt nicht kommunizieren können", sagt Rohrauer. Deshalb würden sich viele dieser Kinder spätestens in der Frühpubertät minderwertig fühlen. Da sie allerdings die Gebärdensprache erlernen, "können sie etwas, was andere nicht können. Das gibt Selbstvertrauen", so die Leiterin und diplomierte Pädagogin.

Mit Babys gebärden

Doch nicht nur gehörlosen Kindern hilft es in ihrer Entwicklung, die Gebärdensprache zu lernen, auch Kinder nichtdeutscher Muttersprache lernen so schneller gesprochenes Deutsch. "Dadurch, dass sie die Gegenstände sehen, deren Namen hören und die Gebärde selbst machen, merken sich Kinder die neuen Vokabeln schneller", weiß Rohrauer. Und auch wenn sie bereits mit sechs Monaten beginnen zu gebärden, werden die meisten Wörter nicht vergessen.

Laut Rohrauer hören die Kleinsten etwa im Alter von drei Jahren auf zu gebärden, weil sie ab diesem Zeitpunkt nur noch die gesprochene Sprache benutzen. Doch bleibt das Vokabular im Gedächtnis erhalten. "Kommen schließlich Geschwisterkinder zu uns in die Kurse, so beobachten wir, dass die älteren Kinder wieder beginnen, mit den Kleinen zu gebärden", sagt die Pädagogin.

Frei nach dem Motto: Wenn mich das Baby nicht mit gesprochener Sprache versteht, probiere ich es eben so. Auch in Situationen, in denen sich Kinder unwohl fühlen oder schüchtern sind, lasse sich beobachten, dass sie ihre Gefühle in Gebärden ausdrücken.

Keine Förderungen

Obwohl der Erfolg mit bis zu zehn Gruppen zu je acht Kindern pro Semester dem kleinen Team recht gibt, bekommt der Verein von staatlicher Seite keine finanzielle Unterstützung. So stand Kinderhände bereits drei Jahre nach seiner Gründung im Jahr 2008 vor dem Aus. Nur durch eine Spende des Rotary Club Wien Nordost konnte im Jahr 2010 die Finanzierung für weitere drei Jahre gesichert werden.

"Die offiziellen Stellen spielen sich gegenseitig den Ball zu", sagt Rohrauer. Der Fonds Soziales Wien stuft den Verein als Sprachinstitut ein, das Bildungsministerium bzw. das Ressort Bildung der Stadt Wien sieht Kinderhände wiederum als Einrichtung für die Integration behinderter Menschen. "Wenn wir bis Mitte 2013 keine Förderung bekommen, ist der Verein Geschichte", stellt Rohrauer klar. Nur mit privaten Spenden könne man nicht überleben. Nötig ist ein Jahresbudget von 100.000 Euro.

Lautloser Applaus

Um neben den Sprachkursen Geld in die Kassen zu spülen, baut sich Kinderhände nun ein zweites Standbein auf: Lernspiele und -bücher für Gebärdensprache. Noch ist man allerdings auf der Suche nach größeren Vertriebswegen. Bis dahin können die Unterlagen auf der Homepage des Vereins erworben werden.

Die Spielgruppe singt in der Zwischenzeit ebenfalls das Abschiedslied. Nachdem zum Schluss noch einmal fest auf den Boden getrommelt wurde, reißen Mütter und Kinder die Hände in die Luft und drehen die Handflächen nach links und rechts. Ein Applaus in und für Gebärdensprache. (Bianca Blei, derStandard.at, 13.6.2012)