Berlin/Halle - Nach dem Schreddern von Akten im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie stehen das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und sein Präsident Heinz Fromm unter Druck. Innenpolitiker von CSU, FDP und Grünen verlangten am Samstag, die Affäre umfasend aufzuklären. Am Donnerstag war bekanntgeworden, dass die Behörde Unterlagen zur Neonazi-Mordserie vernichtet hatte.

"Da kommen viele Fragezeichen auf, die dringend aufgearbeitet werden müssen", sagte dazu der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir am Samstag in Halle. Es reiche nicht aus, nur Beamte zu versetzen. "Der Fisch stinkt vom Kopf her." Er erwarte, dass diejenigen, die Verantwortung haben, auch Verantwortung übernehmen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sieht Probleme bei den internen Abläufen des Verfassungsschutzes.

CSU-Innenexperte Stephan Mayer äußerte in der "Bild"-Zeitung (Samstag) Zweifel an der Eignung von Behördenchef Fromm: "Die Affäre wirft die Frage auf, ob Fromm den Verfassungsschutz noch im Griff hat. Das muss Konsequenzen haben." Der FDP-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Hartfrid Wolff, nannte den Vorgang im Südwestrundfunk (SWR) "sehr, sehr gravierend".

Disziplinarverfahren

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) hatte mitgeteilt, dass der Verfassungsschutz Akten über V-Leute im Umfeld des rechtsradikalen Thüringer Heimatschutzes im vergangenen November vernichtet habe. Dies sei einen Tag nach der Anforderung der Unterlagen durch den Generalbundesanwalt geschehen.

Gegen den dafür verantwortlichen Referatsleiter wurden inzwischen disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Er hatte kurz nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie Anfang November 2011 sieben Ordner mit Details zur geheimen Operation "Rennsteig", dem Einsatz von V-Leuten im rechtsextremistischen "Thüringer Heimatschutz", schreddern lassen. Danach hatte er wahrheitswidrig behauptet, die Akten seien bereits im Januar 2011 vernichtet worden.

Die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) wird für zehn Morde verantwortlich gemacht. Die Opfer waren neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. (APA, 30.6.2012)