Julia Budka ist Spezialistin für Keramikfunde.

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Die Geburtsstunde der Ägyptologie schlug 1822, als Hieroglyphen entschlüsselt und eine Fülle von Textquellen zugänglich wurden: "Die Analyse der vielen Inschriften ist ein großes Plus und gleichzeitig ein Manko der wissenschaftlichen Bearbeitung", sagt die Wiener Siedlungsarchäologin Julia Budka: "Wir wissen durch die zahlreichen Hinterlassenschaften der Eliten sehr viel über die Entwicklung des Reiches, die Reihenfolge der Könige, Politik und Totenkult. Das ist ein solides Grundgerüst. Die heutige Ägyptologie muss aber ins Detail gehen, das Alltagsleben der kleinen Leute beleuchten und die Menschen hinter den Monumenten in den Vordergrund rücken."

Im Rahmen ihres kürzlich eingeworbenen Start-Projekts wird sie in den kommenden sechs Jahren Grabungen auf der Insel Sai (heute Nordsudan) leiten, wo das Ägyptische Reich im zweiten Jahrtausend vor Christus einen Vorposten gegenüber dem Königreich Kusch absteckte. Die Pharaonen schickten loyale Beamte nach Nubien, um dort ägyptische Interessen zu wahren.

Die Keramikspezialistin hat sich schon in den vergangenen zwei Jahren an französischen Grabungen vor Ort beteiligt und konnte dabei Spuren des Beamten Nehi sowohl in Ägypten als auch in Nubien nachweisen. Die Idee zu einer Studie über das Aufeinandertreffen von pharaonischer Lebenskultur und nubischer Tradition kam ihr bei der Dokumentation der Gefäß-Funde.

Ihre Erfahrung mit verschiedenen Quellen, Epochen und Fundplätzen ermöglichte der Ägyptologin den raschen Vergleich mit unpubliziertem Material: Die Fundstücke der ca. 500 Kilometer weiter südlich gelegenen nubischen Insel Sai glichen jenen der ägyptischen Nil-Insel Elephantine.

"In meinen Jahren in Berlin habe ich mein Bier gerne aus dem Ottakringer-Glas getrunken. Vielleicht ging es den ägyptischen Expats ähnlich", sagt Budka: "Die Frage ist: Was hat es in der Antike gebraucht, um in der Fremde eine Heimat zu finden?" Die Archäologin will die Vermischung und das Nebeneinander zweier großer Kulturen an dieser Schnittstelle studieren.

Ihr interdisziplinäres Grabungsteam ist an die Kommission für Ägypten und Levante der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angedockt. Gemeinsam werden Fragen nach Nutzungsart und Dauer der Siedlungsschichten beantwortet.

Obelisken und Sphingen - Zeugnisse für das Alte Ägypten - findet Julia Budka auch in ihrer Heimatstadt Wien. So gesehen haben die Pharaonen tatsächlich Unsterblichkeit erreicht. Klassische Archäologie wollte die 35-Jährige bereits in der Schule studieren. Nach dem Besuch der Ausstellung Gott Mensch Pharao 1992 stand für sie fest: "Die alten Ägypter sind einfach noch cooler als die alten Römer."

Budka war zwischen 2004 und 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Ägyptologie und Archäologie Nordostafrikas der Humboldt-Universität zu Berlin. Den vom Wissenschaftsministerium und vom Wissenschaftsfonds FWF vergebenen Start-Preis, der bis zu 1,2 Millionen Euro bringt, versteht sie "als singuläre Chance, ein Signal für das Fach zu setzen - durch den Vergleich mit gut erhaltenen ägyptischen Spuren außerhalb des Stammlandes". (Astrid Kuffner, DER STANDARD, 18.7.2012)