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Ein Umspannwerk bei Gauhati im Osten Indiens. Die Infrastruktur des Landes ist überlastet, den Behörden fehlt das Geld, um die Anlagen zu modernisieren und auszubauen.

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Auch Kalkutta lag während des Stromausfalls im Dunkeln.

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Vom weltweit größten Stromausfall waren bis zu 700 Millionen Menschen betroffen.

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Glaubt man Indiens Zeitungen, war es das größte Blackout der Weltgeschichte. Und es legte schonungslos eine der großen Schwachstellen der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indien bloß: die hoffnungslos überlastete Infrastruktur. Binnen nur 48 Stunden wurde das Riesenland gleich zwei Mal von gigantischen Stromausfällen heimgesucht.

Zuletzt, am Dienstag, waren 20 der 28 Bundesstaaten und 600 bis 700 Millionen Menschen betroffen - bald zehn Prozent der Weltbevölkerung. Das halbe Land stürzte über Stunden ins Chaos, nichts ging mehr. Bergleute saßen unter Tage fest, Ampeln fielen aus, U-Bahnen und Züge standen still. In einem Hospital mussten Ärzte sogar im Schein von Taschenlampen operieren, weil der Generator streikte. Auch die Wasserversorgung brach zusammen.

"Supermacht Indien, ruhe in Frieden"

Das Schwellenland, das um Investoren buhlt, muss einen Imageschaden fürchten - und das in einer Zeit, in der die Wirtschaft ohnehin stockt. "Supermacht Indien, ruhe in Frieden", stichelte die Economic Times. Die Stromausfälle schürten Zweifel an Indiens wirtschaftlichem Aufstieg, meinte auch die "Washington Post". Der Direktor des Industrieverbandes CII, Chandrajit Banerjee, sprach von einem "riesigen Kratzer" für Indiens Ansehen.

Doch die Probleme reichen tiefer. "Indiens hoffnungsloses Stromszenario ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse des Landes gewesen", schrieb die "Mail Today". Das Riesenland hungert nach Energie. Doch das Angebot hält nicht mit dem rasant steigenden Bedarf mit. Und das obwohl 300 bis 400 Millionen Inder noch nicht mal einen Stromanschluss haben.

Abhängigkeit von Kohle

Viele geben der Politik Schuld an der Misere. Indien hängt überwiegend von der Kohle ab. Zwar will Delhi Atom- und Wasserkraft pushen, aber die Ausbaupläne kommen schleppend voran, auch weil Proteste von Anwohnern den Bau von Anlagen bremsen. Dazu gesellten sich "schäbiges Management" und schlechte Instandhaltung. Den Behörden fehle das Geld, um das marode Netz zu modernisieren.

Auch Stromdiebstahl ist gang und gäbe. Es ist fast Volkssport, beim Nachbarn oder aus einer der überall herumbaumelnden Leitungen Strom abzuzapfen, selbst Fabriken leiten sich illegal Strom zu. Laut Medien hat Indien zwar eine Stromkapazität von 200.000 Megawatt, doch 25 bis 40 Prozent des Stroms gingen durch Stromdiebstahl und Übertragungsverluste verloren.

Engpässe bei der Kohle

Auch akute Engpässe bei der Kohle sollen nun zum Kollaps beigetragen haben. So hat Indien zwar die fünftgrößten Kohlereserven der Welt, aber Gesetze bremsen neue Minen. Als Folge hätten zehn Prozent der Kohlewerke im Moment keine Kohle, sagte ein Experte der "Washington Post". "Wir sehen einem beängstigenden Szenario entgegen."

Die jetzigen Blackouts waren zwar eine Ausnahme, doch vor allem in den Sommermonaten, wenn die Klimaanlagen gegen die Gluthitze ankühlen und der Bedarf hochschießt, kommt es zu Engpässen. Dann kämpft selbst die Hauptstadt Delhi, die sonst gut dasteht, mit Stromausfällen von einer halben bis zu zwei Stunden. Auf dem Lande sind sogar zwei bis sechs Stunden am Tage üblich. Verschärft hat sich die Lage in diesem Jahr dadurch, dass in Teilen des Landes Dürre herrscht und Bauern weiter ihre elektrischen Wasserpumpen in Betrieb haben, die viel Strom verschlingen. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi, DER STANDARD, 2.8.2012)