Graz - Am Ende klingt der bisweilen ruppige Grazer Richter fast ein wenig milde: "Ich hoffe, Sie haben das alles in Sorge um Ihren Sohn getan. Und nicht für Ihr eigenes Ego." Ein Jahr bedingte Haftstrafe hat Vorsitzender Günter Sprinzel wenige Minuten zuvor in Richtung des Angeklagten verkündet - wegen Kindesentziehung und schwerer Nötigung.
Für Sprinzel ist es unzweifelhaft, dass der großgewachsene dänische IT-Spezialist die Mutter des gemeinsamen Buben Oliver mit Gewalt zurückgehalten haben musste, als er den Sohn im April dieses Jahres mit einem Komplizen entführt und nach Dänemark gebracht hatte. Der Vater habe wissen müssen, dass er sich hier auf österreichischem Staatsgebiet befinde, wo "österreichische Gesetze gelten" und Kindesentziehung und schwere Nötigung eben strafbar seien.
Der Vater, Thomas S., zeigte sich nach dem Schuldspruch "erschüttert". Er wird das Urteil anfechten. Er habe doch nur "von seinem Obsorgerecht Gebrauch gemacht", sagte dessen Sprecher."
Urteil ändert nichts an Situation
Der Angeklagte hatte ja sogar erwähnt, Anwälte in Dänemark hätten ihm geraten: "Schnapp ihn dir", nachdem die Mutter mit Oliver nach Österreich gezogen war. Anwältin Barbara Prasthofer hatte auf Freispruch plädiert. Thomas S. fühle sich keiner Schuld bewusst, fühle sich sogar im Recht.
Wie eben auch seine ehemalige Lebensgefährtin, die er beim Skifahren in Tirol kennengelernt hatte. Beide besitzen für ihren Sohn das Sorgerecht. Allerdings: die Mutter in Österreich, der Vater in Dänemark. An dieser Situation ändert nun auch das Urteil über die Entführung nichts. Oliver bleibt bis auf Weiteres bei seinem Vater und den Großeltern in Dänemark.
Die Mutter will nochmals eine Rückführung des Kindes nach Österreich erwirken. Aber das wird dauern - einstweilen ihr gemeinsamer Sohn langsam in die dänische Realität hineinwächst. Sie mache sich "große Sorgen um Oliver", da nun nachgewiesen sei, dass "der Vater kriminelle Energie hat", sagte die Mutter nach der Urteilsverkündung. Ein Teilsorgerecht könne sie sich nicht vorstellen, ebenso wenig, dass sie nach Dänemark ziehe.
Filmdokumente
Zur Illustration, dass es Oliver in Dänemark aber gutgehe, hatte der Vater am Mittwoch Videosequenzen seines vergnügten Sohnes vorgelegt. Als Reaktion zu Filmdokumenten, die wiederum die Mutter anfertigen hatte lassen, als sie in Dänemark einen offiziellen Begegnungstermin in einer Sozialeinrichtung wahrnahm.
Der Bub habe dort sehr verängstigt gewirkt. Ein Psychoanalytiker und Zeuge der Mutter sagte aus, er habe den Film gesehen und könne eindeutig daraus schließen, dass Oliver "schwer traumatisiert" sei. Thomas S. konterte mit einer Bewertung der dänischen Kindergartenleitung, die dem Buben eine altersadäquate Konstitution bescheinigte - der Streit um Oliver geht in die nächste Instanz. (Walter Müller, DER STANDARD, 27.9.2012)