Mit mehrmonatiger Verspätung soll im November die Kazerne Dossin, Mahnmal, Museum und Dokumentationszentrum zu Holocaust und Menschenrechten, eröffnet werden.

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Margarete von Österreich  (1480-1530).

Foto: Musées des Beaux Arts, Brüssel

Mechelen - Während des NS-Regimes war es das Wartezimmer des Todes. Heute sind in der ehemaligen Kaserne von Dossin Wohnungen untergebracht. Fast die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Belgiens, 25.484 an der Zahl, sowie 351 Sinti und Roma wurden zwischen 1942 und 1944 vom SS-Sammellager in Mechelen bei Brüssel nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Weniger als fünf Prozent überlebten.

Die Kaserne ist einer der nachdenklicheren Stopps auf der zehn Stationen umfassenden Menschenrechtstour durch Mechelen. Sie gedenkt etwa auch der ehemaligen Regentin Margarete von Österreich, da diese 1529 mit Luise von Savoyen den sogenannten Damenfrieden von Cambrai besiegelte. Denn die Kriegsherren selbst, Margaretes Neffe Kaiser Karl V. und Luises Sohn König Franz I., wollten nicht direkt miteinander verhandeln.

Der Weg zur Holocaust-Gedenkstätte in der Kaserne führt, so wie einst die NS-Konvois, durch die Guldenbodemstraat, vorbei am Franziskanerkloster. Hier, wenige Schritte von der Kaserne entfernt, übergaben einige der von Deportation Bedrohten ihre Kinder in Verzweiflung den Nonnen.

Auch das hier im Bau befindliche Museum Kazerne Dossin , vom Team AWG geplant, widmet sich der Erinnerung an dieses dunkle Kapitel deutscher und belgischer Geschichte. Die bunkerähnliche, aus der symbolischen Zahl von rund 25.800 Steinen gefertigte Fassade erinnert an die militärische Vergangenheit, und zugemauerte Fensterlaibungen erinnern daran, "dass die Menschen nicht sehen wollten, was geschah", erklärt Herman Van Goethem, Kurator der Dauerausstellung und Professor an der Universität Antwerpen. Die Kazerne Dossin will jedoch mehr als nur Mahnmal sein.

Ihr unglaublich gewaltvoller Charakter mache aus der Schoah ein sehr isoliert betrachtetes Stück Geschichte. So verkomme der Besuch eines reinen Holocaust-Museums irgendwann womöglich zur reinen Pflichtübung, befürchtet Van Goethem. So entstand der Gedanke, das Thema zu erweitern und aktuelle Fragen der Menschenrechte in das Museum zu integrieren. Beispielsweise Fragen der Ethnie. Damals waren ethnische Analysen des Einzelnen Basis der Verbrechen. Es sei aber auch eine sehr aktuelle Frage, was die Diskriminierung des Individuums auf Basis seiner Herkunft bedeutet. Massenmord und Prinzipien der Diskriminierung sollen aus heutiger Perspektive, also auch vor aktuellen politischen Fragen, behandelt werden. Der wissenschaftliche Ansatz sei enorm wichtig, betont Van Goethem. Er schließt aber nicht aus, einmal auch künstlerische Arbeiten zu integrieren. Das Angebot sei groß, umso überlegter müsse man bei der Auswahl vorgehen. Einstweilen sei die Ausstellung Newtopia. The State of Human Rights das perfekte Präludium für dieses Museum neuen Formats.

Trotz erweiterten Ansatzes ist das Gedenken deswegen nicht weniger wichtig. Die Opfer der Nationalsozialisten waren nur noch Nummern, als sie in die Gaskammern gingen. Mit ihrem Namen verloren sie auch ihre Identität. Damit die Opfer nicht auf eine abstrakte Zahl reduziert werden, erinnern in der Gedenkstätte der Kazerne Dossin Fotos an ihre Identität. 18.000 hat man bisher recherchieren können. (kafe, DER STANDARD, 9.10.2012)