Man sieht es ihnen nicht an, aber das sind zwei der wichtigsten Figuren des Soul. Spooner Oldham (li.) und Dan Penn. Penns Demos aus den 1960ern gibt es nun auf CD.

Foto: Ace Records

Ein Schatzkästchen öffnet sich.

Wien - Wer sich ernsthaft für Soul-Musik interessiert, stolpert irgendwann über diese zwei Silben: Dan Penn. So heißt einer der größten Songwriter des Fachs. Peter Guralnick, Autor des Standardwerks Sweet Soul Music, schreibt sogar, Penn sei der geheime Held seines Buchs, das das Genre, seine Entwicklung und seinen gesellschaftlichen Einfluss aufbereitet. Erstaunlich ist das insofern, als neben Penn natürlich berühmte Namen wie James Brown, Al Green oder Isaac Hayes auftauchen. Und dann ist dieser Penn auch noch ein Weißbrot. Wie kann das sein?

Der heute 71-jährige Songwriter, Produzent und Musiker war ein Kreativwunder des Southern Soul. Eine Figur, die selten selbst auf der Bühne stand, die stattdessen hinter den Kulissen als Produzent und Songwriter Musikgeschichte geschrieben hat; oft zusammen mit Spooner Oldham, einem anderen Weißbrot aus dem US-amerikanischen Süden, der bis heute einer der begehrtesten Keyboarder im Business ist. Wenn Neil Young, Bob Dylan oder ähnliche Kaliber ein beseeltes Keyboard brauchen, läutet bei Oldham das Telefon.

Gemeinsam haben sie dutzende Hits geschrieben, die von Hundertschaften von Künstlern aufgenommen wurden. Penns eigene Diskografie ist hingegen bescheiden. Dabei hatte er in den 1960ern jede Menge Singles aufgenommen, die jedoch selten für den Markt bestimmt waren.

Der weiße Ray Charles

Zwei Dutzend dieser Perlen wurden nun erstmals auf der CD Dan Penn - The Fame Recordings veröffentlicht. Man könnte jetzt Superlative auspacken; keiner wäre übertrieben, gleichzeitig würde keiner dem Phänomen gerecht. Penn wurde als weißer Ray Charles gehandelt, der Produzent Jerry Wexler nannte ihn den besten weißen Soulsänger, das muss reichen.

Penn arbeitete Anfang der 1960er-Jahre im Fame Studio in Muscle Shoals in Alabama. Dieses etablierte sich in den folgenden Jahren als eines der Zentren des Southern Soul. Stars wie Wilson Pickett, Aretha Franklin, Otis Redding, Percy Sledge, Etta James oder Joe Tex nahmen dort auf - und nicht wenige dieser schwarzen Künstler waren überrascht, als sie dort auf eine Handvoll weißer Gerippe trafen, "some bad funky white boys", wie Wilson Pickett sie nannte.

Penn war einer davon. Ambitioniert und von Amphetaminen oft tagelang wachgehalten, schrieb und produzierte er Lieder, darunter den Klassiker At the Dark End of the Street, der James Carr unsterblich machte. Er produzierte den Welthit The Letter für die Box Tops und schrieb Aretha Franklins Do Right Woman, Do Right Man, für das Oldham eine seiner genialen Keyboardspuren beisteuerte. All das ist vielfach dokumentiert, doch Penns eigenes Werk aus der Zeit gibt es, wenn überhaupt, nur als überteuerte, meist durchgespielte Singles auf einschlägigen Umschlagplätzen.

The Fame Recordings hebt nun viele dieser Schätze - und rechtfertigt damit jede Geniebehauptung bezüglich des seit Jahren nur noch breite Latzhosen tragenden Musikers. Darunter befinden sich Songs, die andere Sänger zu Hits machten - Rainbow Road, das Arthur Alexander berühmt machte, You Left The Water Running, das James & Bobby Purify in die Charts brachte, oder The Puppet, ein Hit für die Box Tops. Alles Rohdiamanten, die Penn hier mit Bands in wechselnder Besetzung erstmals in die Welt sang.

Es sind genialische Tracks ohne eine Note zu viel. Die Ökonomie, die Auslassung als dramatischen Kunstgriff beherrschte Penn wie wenig andere. Oldhams ebenso knappes Keyboardspiel steht dem in nichts nach. Entstanden sind viele der Aufnahmen, wenn ein Sänger mit einem Song im Studio nicht weiterkam.

Nasse Taschentücher

Wie Penn in Sweet Soul Music erzählt, musste dann er ran: "Get Penn to show 'em how to sing the damn thing." Penn kam, sang und nagelte den Song auf den Boden. Meist Minidramen, die kaum je die Drei-Minuten-Grenze überschritten. Mussten sie auch nicht, denn nach einer Minute waren die Taschentücher schon nass.

Nur der 1995 verstorbene Eddie Hinton, ebenfalls ein weißer Soul-Man, sang so berührend wie Penn. Beide galten als wilde Hunde, doch am Mikro wurden sie zu einfühlsamen Herz- und Seelenmasseuren. Man höre nur Penns Interpretation von It Tears Me Up - aber hier ist alles Gold. Unglaublich, was ein paar talentierte Landeier für fantastische Musik geschaffen haben, und unglaublich auch, das Penn sich bis heute Zeit gelassen hat, um diese zugänglich machen. Das Tantiemengeschäft dürfte diese Trägheit erklären. Schön, dass er es trotzdem geschafft hat. (Karl Fluch, DER STANDARD, 29.11.2012)