Leo Widrich, Mitbegründer von Buffer.

Foto: privat

"Entschuldigung, es ist ein bisschen chaotisch hier, aber ich schätze, das passt gut in die Story." Leo Widrich, der Mitgründer von Buffer App kennt sich aus mit Marketing. Der 22-jährige Wiener hat sich in der Startup-Szene durch seinen innovativen Zugang zur Vermarktung der Online-Anwendung, die Nutzern dabei hilft, ihre Tweets zu timen, einen Namen gemacht.

Arbeiten von zuhause

Die Wohnung, in der er uns an einem Samstag Morgen empfängt, teilt sich Widrich mit dem Firmengründer beziehungsweise Co-Founder Joel Gascoigne. Sie ist gleichzeitig das Büro von Buffer und liegt im Stadtteil SoMa in San Francisco, wo sich Internetunternehmen wie Twitter, Yelp und Dropbox angesiedelt haben. Samstag ist Widrichs freier Tag - eigentlich. Begonnen hat er ihn mit Meditation, wie wir erfahren. Im Zen Valley, einem Zentrum, das schon Steve Jobs zu seinen Kunden zählte. Auch sonst scheint der Unternehmer einen - für sein Alter - außergewöhnlich bewussten und disziplinierten Zugang zum Alltag zu haben.

Durchgetakteter Alltag eines Startup-Unternehmers

"Ich stehe um sieben Uhr auf, mache Meditationsübungen und plane dann die Aufgaben des Tages. Um neun Uhr, nach dem Frühstück, gibt es eine Skype-Konferenz mit den Buffer-Kollegen in den USA, Großbritannien und Israel." Dann wird weiter gearbeitet. Nach dem Mittagessen und weiterer Aufgabenerledigung geht es ins Fitnesscenter. Für gewöhnlich beendet Widrich seine reguläre Arbeit um 17:30 Uhr. Abends bringt er sich in Eigenregie die Programmiersprache Ruby on Rails bei. Als Fingerübung baut er dafür eine Kopie von Twitter auf. Vor dem Schlafengehen nimmt er schließlich Stift und Notizbuch zur Hand, um die wichtigsten Aufgaben des nächsten Tages festzulegen. Danach versucht Widrich 7,5 Stunden Schlaf zu bekommen - die genau richtige Menge, wie er auf dem Buffer-Blog thematisiert. Ziemlich diszipliniert.

Der Werdegang

Eigentlich hatte Widrich, der nach Matura und dem freiwilligen Jahr beim Bundesheer zwei Jahre an der britischen Warwick Business School studiert hat, andere Ziele: "Das Übliche, Wirtschaftsstudium und dann Manager werden", meint der zielstrebige Exilösterreicher. Dann kam alles anders. Durch ein Entrepreneurship-Seminar und den Uni-Mentor Gascoigne entdeckt er seine Leidenschaft fürs Unternehmerische. Er steigt im Herbst 2010 kurzerhand in Gascoignes Projekt Buffer ein, wird Co-Founder, vernachlässigt das Studium, um schließlich ganz zu "pausieren" und damit eventuell in die Liga anderer erfolgreicher Unternehmer ohne Uniabschluss einzutreten. Nächste Destination: Silicon Valley.

Das gute Geld

Nach Besuch des AngelPad Startup-Camps 2011 stellt Buffer von 19 Investoren  insgesamt 450.000 Dollar Startkapital auf. Anfängliche Visaprobleme werden durch working holidays in Hong Kong und Tel Aviv gelöst - wegen der interessanten Kulturen und dem Wetter. Zwei Jahre nach dem Launch nutzen über 500.000 Menschen die Anwendung und Buffer macht monatlich 70.000 Euro Umsatz.

Dass sich mit einem Internetunternehmen Geld verdienen lässt, begriff Widrichs Familie in Österreich erst "nachdem ich allen zu Weihnachten iPads geschenkt habe". Seine Eltern, so Widrich, hätten ihn lieber in einem sicheren Job gesehen. Dass das für den jungen Wiener kein Kriterium war, wird klar, wenn man die Einstellungskriterien bei Buffer betrachtet: "Wir haben sehr lose Strukturen. Uns ist es egal, wann oder wie du arbeitest. Für uns zählt nur der Output. Diese Philosophie passt nicht allen. Viele suchen eher einen nine-to-five-job. Wir aber suchen den besten 'cultural fit' für unsere Unternehmenskultur - Leute, die gewillt sind nach mehr zu streben und an sich zu arbeiten."

Neue Herangehensweisen

Widrich selbst scheint diesem Ideal auch in Bezug auf seine Wahlheimat San Francisco gerecht zu werden: "In der Startup-Szene der Bay Area glaubt man an das Prinzip der Serendipität (eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist, Anm.). Das findet man sonst nirgends auf diese Weise. Man unterstützt sich gegenseitig, es gibt eine 'pay it forward'-Mentalität und kaum Konkurrenzdenken." Er denkt nicht daran, San Francisco bald zu verlassen. Noch einmal auf seinen disziplinierten Tagesablauf angesprochen meint Widrich: "Ich weiß eigentlich gar nicht, ob ich das für mein Privatleben oder für den beruflichen Erfolg mache. Vermutlich beides." Er scheint der richtige "cultural fit" für die amerikanische Westküste zu sein. (Elisabeth Oberndorfer, Alena Schmuck, inventures.eu, 10.12.2012)