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Auch Autos wurden in Nordirland angezündet.

Foto: Reuters/Mcnaughton

London/Belfast - Der Streit um die britische Flagge in Nordirland hat über das Wochenende zu weiteren Unruhen geführt und einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst. Bis zu 2.000 Menschen demonstrierten am Samstag mitten im Weihnachtsgeschäft in der Innenstadt von Belfast gegen die Entscheidung der Stadtverwaltung, die britische Flagge nicht mehr täglich, sondern nur noch an bestimmten Tagen zu hissen. Die Demonstration verlief friedlich, doch im Anschluss brachen in einigen Teilen der Stadt Unruhen aus.

Die Polizei wurde mit Steinen beworfen, ein Polizist wurde verletzt. Randalierer versuchten, einen Bus zu entführen. Geschäfte, die besondere Weihnachtsaktionen wie ein Kinderfest hatten, sagten diese teils ab. Der Weihnachtsmarkt musste vorübergehend geschlossen werden.

Die neuen Unruhen dauern bereits seit Anfang der Woche an. Pro-britische Loyalisten protestieren gegen die Flaggen-Entscheidung. Mehrere der Festgenommenen der vergangenen Tage sind mittlerweile angeklagt, darunter drei 13-Jährige.

Mit Bus in Menschenmenge gerast

In der Nacht auf Samstag waren bei Ausschreitungen in Belfast nach Polizeiangaben mindestens acht Beamte verletzt worden. Zwölf Menschen wurden festgenommen. Ein Mann raste mit einem Kleinbus in eine Menschenmenge. Augenzeugen zufolge warfen Demonstranten Steine und Flaschen auf Polizisten. "Dieses Verhalten ist inakzeptabel", sagte der stellvertretende Polizeipräsident Will Kerr. "Diese Leute schaden ihrer eigenen Gemeinschaft und gefährden Menschenleben." Kerr rief "Politiker und alle Menschen mit Einfluss auf, alles ihnen mögliche zu tun", um die "Gewalt des Mobs" zu beenden. Im Laufe der Woche wurden nach Angaben der Polizei mindestens 28 Beamte verletzt.

Der Stadtrat von Belfast hatte am Montag mit 29 gegen 21 Stimmen beschlossen, dass die britische Flagge nur noch an maximal 17 Tagen im Jahr über dem Rathaus aufgezogen werden soll. Daraufhin protestierten Unionisten, die eine feste Anbindung an Großbritannien wollen, jede Nacht in mehreren Städten Nordirlands. Bei den Krawallen Hunderter Demonstranten am Montag wurden nach Polizeiangaben 15 Polizisten verletzt.

Morddrohung gegen Abgeordnete

Am Freitag teilte die Polizei mit, sie habe womöglich einen Sprengstoffanschlag vereitelt. Nach dem Fund eines voll funktionsfähigen Sprengsatzes in einem Fahrzeug seien vier Männer festgenommen worden. Zudem erhielt die Parlamentsabgeordnete Naomi Long aus Belfast eine Morddrohung, weil ihre Alliance Party die neue Flaggen-Regelung unterstützt. Die Partei befürwortet eine Union mit Großbritannien, vertritt aber eine moderate Linie.

Ende der Woche hielt sich US-Außenministerin Hillary Clinton zu einem Besuch in Belfast auf. Nordirlands Regierungschef Peter Robinson und sein Stellvertreter Martin McGuinness lobten Clinton sowie ihren Ehemann Bill Clinton für ihre Unterstützung des Friedensprozesses in Nordirland. Der damalige Präsident Clinton hatte in den 1990er Jahren eine entscheidende Rolle im Friedensprozess Nordirlands gespielt. Hillary Clinton verurteilte bei einer Pressekonferenz in Belfast die jüngste Gewalt. "Es darf in Nordirland keinen Platz für Gewalt geben", sagte sie.

In drei Jahrzehnten gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen London-treuen Protestanten und nach einem vereinten Irland strebenden Katholiken in Nordirland wurden rund 3.500 Menschen getötet. 1998 wurde ein Friedensvertrag abgeschlossen, der eine Aufteilung der Macht zwischen Protestanten und Katholiken vorsieht. (APA, 09.12.2012)