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Das halb mondäne Zypern der Banker und Reeder ist erst einmal dahin. Die knapp eine Million Zyprioten stecken in der Krise.

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Sparen bringt nur Armut: Christofias.

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"Katastrofias" nennen sie ihn und zählen die Tage, bis er abtritt. Knapp 50 sind es noch, dann ist Dimitris Christofias Geschichte. Am 1. März zieht ein Neuer in den Präsidentenpalast in Nikosia ein. Bis März reichen auch noch gerade so die Geldreserven, hat der Finanzminister wissen lassen. Zyperns nächster Präsident erbt einen bankrotten Kleinstaat und darf als erste Amtshandlung das Sparpaket der Troika unterschreiben. Steuererhöhungen, Gehaltskürzungen, Schnellprivatisierungen für 17,5 Milliarden Euro Kredit. Das übliche Rezept.

"Die Leute sind angespannt. Keiner lacht mehr auf der Straße, jeder denkt nach, wie er was bezahlen soll", sagt Georgia Katarina, eine Büroangestellte. Das Zypern, das sie als Teenager kannte, ist verschwunden: die Insel der Banker und Reeder, halb mondän, halb Tavernenfolklore. Auf der Boutiquenmeile im Zentrum Nikosias, der Makariou III., klaffen nun Löcher, wie man sie aus Athen kennt: aufgegebene Geschäfte und leere Schaufenster. Dazwischen Restaurants, die noch vor kurzem in waren und jetzt auf Straßentafeln verzweifelt mit Billigmenüs werben.

125 bis 150 Euro im Monat zahlen Georgia und ihre Eltern allein schon für den Strom. Zypern soll die höchsten Strompreise der Welt haben, seit eine Explosion in einem Munitionslager im Sommer 2011 gleich auch das wichtigste Kraftwerk zerstörte - noch so ein Erbe der Präsidentschaft von "Katastrofias" Christofias.

Ein griechischer Sachverständiger hat dieser Tage vor Gericht wieder aufgelistet, was alles in der Marinebasis Mari schiefgelaufen ist. Die 421 Tonnen beschlagnahmte Munition aus dem Iran, die in Containern dicht gestapelt war: ohne Plan, ohne Schutz vor der Sonne, zwei Jahre lang. 13 Menschen starben bei der Explosion. Der Außen- und der Verteidigungsminister traten zurück. Der Staatschef aber sah keine Verantwortung für den schwer fassbaren Schlendrian.

Mit Vollgas ins Minus

Dimitris Christofias ist dabei ein umgänglicher Mann, ein Vertreter des kleinen Volks, lange Jahre Generalsekretär der noch regierenden Fortschrittspartei des werktätigen Volks (Akel). Bei 48 Prozent der Wirtschaftsleistung stand Zyperns Staatsverschuldung, als der kommunistisch geschulte Funktionär 2008 sein Amt antrat. Jetzt liegt sie bei 80 Prozent. Immer noch unter dem Durchschnitt vieler anderer Länder, meint Michael Sarris, der Finanzminister, der Zypern in den Euro führte. Einerseits.

"Aber bei der Geschwindigkeit, mit der wir innerhalb dreier kurzer Jahre von 48 auf 80 Prozent gekommen sind, und angesichts der Finanzmärkte, die um uns herum alle abzustrafen begannen, die sich in Haushaltsfragen unverantwortlich zeigten, hätten wir wirklich viel mehr achtgeben müssen" , sagt Sarris. Er hatte der Europäischen Zentralbank 2008 noch einen Plan zum Schuldenabbau auf der Insel vorgelegt. Dann kam Christofias, der Mann mit dem Herz für Beamte und alle anderen Werktätigen. Als alle roten Lampen schon blinkten, weigerte sich Christofias, die Insel auf Sparkurs zu bringen. Aus Prinzip. Die Austeritätsprogramme haben den Südeuropäern nur Armut und mehr Arbeitslosigkeit gebracht, argumentierte er.

Diese ist schon ohne Troika gestiegen. Von 9,5 Prozent im November 2011 schnellte die Arbeitslosenrate auf 14 Prozent im November 2012 hoch, wie die jüngste Statistik zeigt. Der Gang zu den Kreditgebern sei vermeidbar gewesen, sagt Haris Georgiades, Parlamentsabgeordneter und Sprecher der konservativen Partei Disy. "Eine Situation, die noch steuerbar war, glitt aus den Händen", stellt der junge Politiker fest. Noch im Frühjahr 2012 hätte die Regierung das Ruder herumreißen können, Unterstützung für Sparmaßnahmen gab es von den anderen Parteien. Zypern ist nicht Griechenland.

"Jeder trägt Verantwortung für die Mängel"

Es gibt keine Massendemonstrationen in Nikosia, keine Straßenschlachten zwischen jungen Militanten und der Polizei, keine abgebrannten Banken und Geschäfte. Britischer Ordnungssinn aus den Jahren der Kolonialherrschaft habe sich eingeprägt, heißt es. Die Parteien streiten, finden es anders als in Athen aber nicht absonderlich, eine Koalition einzugehen.

"Jeder trägt etwas Verantwortung für die Mängel und Krankheiten des Systems", hat Nikos Anastasiades großzügig erklärt. Der Chef der Konservativen wird die Wahlen im Februar gewinnen, vielleicht sogar in der ersten Runde am 17. Februar. Rund 20 Prozent liegt er in Umfragen vor dem Kandidaten von Christofias' Akel-Partei. Seine künftigen Amtskollegen lädt Anastasiades an diesem Freitag in seine Heimatstadt Limassol ein. Ein halbes Dutzend konservativer Regierungschefs kommen als Wahlhelfer. Angela Merkel ist auch dabei. (Markus Bernath, DER STANDARD, 11.1.2013)