"Es ist klar, dass wir nicht noch jahrelang weitermachen können", sagt Dervis Eroglu über die Verhandlungen zwischen Süd- und Nordzypern.

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STANDARD: Im nächsten Monat sind Präsidentenwahlen im griechischen Teil Zyperns. Interessiert Sie das noch?

Eroglu: Die Führung im Süden hat bisher sechsmal gewechselt, die Politik jedoch nicht. Es macht deshalb keinen Unterschied für uns, wer gewählt wird. Wichtig ist für uns die Politik, die der neu gewählte Führer verfolgen wird. Das ist eine Entscheidung der griechisch-zypriotischen Seite. Es wäre nicht angemessen, wenn wir Präferenzen äußerten. Wir werden mit dem wichtigsten Führer verhandeln, wer immer es ist.

STANDARD: Sehen Sie nicht Chancen für Fortschritt in den Gesprächen über die geteilte Insel, sollte der Erstplatzierte in den Umfragen, Nikos Anastasiades, gewinnen? Er war schließlich einer der wenigen Politiker im Süden, die 2004 den Annan-Plan unterstützten.

Eroglu: Anastasiades scheint derzeit die besten Chancen auf den Sieg zu haben. Wir hatten gemeinsame Abendessen, nachdem ich zum Präsidenten gewählt worden war, zuerst in meinem Haus, dann in seinem Haus in Limassol. Wir stehen miteinander im Dialog. Er hat Ja zum Annan-Plan gesagt, aber redet nicht mehr davon, seit er eine Einigung mit seinem möglichen Koalitionspartner Diko (Demokratische Partei, Anm.) erreicht hat. Ich erwarte deshalb nicht, dass er sich allein auf Grundlage des Annan-Plans an den Verhandlungstisch setzt. Er sagte, er werde alles streichen, was Christofias (der amtierende Präsident, Anm.) an den Tisch gebracht hat. Das heißt, alles wird wieder von Neuem beginnen.

STANDARD: Sie sagten kürzlich: Lasst uns einen Zeitrahmen für die Verhandlungen festlegen - sechs Monate, ein Jahr, eineinhalb Jahre. Weshalb?

Eroglu: Weil die Verhandlungen seit 1968 laufen, ohne Zeitlimit und ohne Ergebnis. Es gibt keinen Aspekt des Zypernproblems, der nicht diskutiert worden wäre. Wir glauben, eine Einigung ist möglich, wenn es den politischen Willen dazu gibt. Der UN-Generalsekretär hat selbst gesagt, dass die Verhandlungen so nicht weitergehen können. Wir müssen uns zusammensetzen und eine zeitliche Grenze beschließen. Es ist klar, dass wir nicht noch jahrelang weitermachen können.

STANDARD: Was erwarten Sie von der EU? Was soll sie mit Nordzypern anfangen?

Eroglu: Lassen Sie mich erst über den Fehler sprechen, den die EU begangen hat. Einer der Gründe für die Unnachgiebigkeit der griechischen Seite ist, dass sie unilateral in die Europäische Union aufgenommen wurde. Ein Land mit einem inneren Problem ist Mitglied der EU geworden, die EU hat ein Problem importiert.

Wir erwarten von der EU, dass sie das Embargo und die Isolierung der türkischen Zyprer beendet. Die EU-Mitgliedstaaten wissen, dass diese Beschränkungen gegen uns illegal und unmenschlich sind. Wir haben keine kriminelle Vorgeschichte, die die Verhängung eines Embargos rechtfertigte. Leider ist die EU-Verordnung zum Direkthandel wegen des Widerstands der griechischen Seite nicht umgesetzt worden. Wäre diese Verordnung angenommen worden, dann wären Griechen und Türken auf Zypern einen Schritt näher an einer Einigung. Es hätte die Griechen zu einem Kompromiss motiviert.

STANDARD: Die Bevölkerung im Norden der Insel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Es gibt neue Einwohner, die aus der Türkei stammen. Kompliziert das nicht noch die Verhandlungen mit der griechischen Seite?

Eroglu: Auch wenn wir nur von der Türkei anerkannt werden - dies hier ist ein Staat. Jedes Land kann seinen Einwanderern die Staatsbürgerschaft verleihen. Die Besonderheit hier ist, dass diese Menschen aus der Türkei aus demselben Land stammen, aus dem wir 1571 gekommen waren (nach der Eroberung Zyperns durch die Osmanen, Anm.). Auch der Süden nimmt Einwanderer auf, aus verschiedenen Teilen der Welt - aus Russland, Griechenland, den Philippinen. Wir stellen das nicht infrage oder beschweren uns. (Markus Bernath aus Lefkosa, DER STANDARD, 28.1.2013)