Bild nicht mehr verfügbar.

Mit rund 37 Prozent der Stimmen (bei 60 Prozent Beteiligung) scharte Oppositionskandidat Raffi Hovannisian die meisten Sarkissian-Gegner hinter sich. Er will das Ergebnis aber anfechten.

Foto: APA/EPA/Schipenkow

Bild nicht mehr verfügbar.

Sieger Serge Sarkissian: "Sicherheit."

Foto: AP/Mehrabyan

Die wichtigen Führer der Opposition waren gar nicht erst angetreten, was viele Wähler frustrierte.

Eriwan/Istanbul – Die eine hinterließ statt eines Kreuzes einen roten Lippenstiftmund, ein anderer aß seinen Stimmzettel vor den verdutzten Augen der Wahlhelfer auf. Eine dritte Wählerin in der  armenischen Großstadt Gyumri steckte einen 5000-Dram-Schein in den Umschlag. "Ich bin nicht käuflich. Sagt das Serge Sarkissian", schrieb sie auf ihren Stimmzettel. Die umgerechnet neun Euro, so erklärte die Frau einem lokalen Fernsehsender, hatte sie von Helfern des Präsidenten erhalten, die auf Stimmenfang gegangen waren.

Jener sicherte sich am Montag mühelos mit knapp 59 Prozent eine zweite Amtszeit als Staatschef der kleinen Kaukasusrepu blik. Doch für viele Armenier machte die Wahl keinen großen Sinn mehr, nachdem wichtige  Oppositionsführer dieses Mal gar nicht erst kandidiert hatten. Diese Entscheidung habe zu "Apathie und Mangel an Vertrauen unter den Wählern beigetragen", stellten Beobachter der parlamentarischen Versammlung der OSZE am Dienstag fest. Sie sahen im Vergleich zu früheren Wahlen gleichwohl "klare Verbesserungen". Armenien ist Mitglied des Europarats und verhandelt mit der EU über ein Assoziationsabkommen.

Sarkissians Herausforderer bei diesen Wahlen, der frühere Außenminister und Führer der kleinen Partei "Erbe" (Zharangutjun) Raffi Hovannisian, scharte den Großteil der Gegner des amtierenden Staatschefs hinter sich und übertraf mit seinen 36,7 Prozent dabei noch Prognosen von früheren  Umfragen. Im Parlament ist die Zharangutjun-Partei nur mit fünf Abgeordneten vertreten.

Hovannisian akzeptierte das Wahlergebnis nicht und rief seine Anhänger zu einer schon zuvor geplanten Kundgebung im Zentrum von Eriwan auf. Ob der 54-jährige gebürtige US-Amerikaner das Regime aber tatsächlich mit tagelangen öffentlichen Protesten herausfordern würde, blieb am Dienstag noch offen.

Nach den Präsidentenwahlen im Februar 2008 waren zehn Oppositionelle bei Zusammenstößen auf der Straße von Sicherheitskräften erschossen worden. Sarkissians erste Amtszeit blieb von dieser Konfrontation mit seinen politischen Gegnern geprägt. Die größte Oppositionskraft, der Armenische Nationalkongress des früheren Staatschefs Lew Ter-Petrossian, boykottierte lange das Parlament und stellte auch keinen Kandidaten für diese Wahlen auf.

Im Gegensatz zu Sarkissian ist Hovannisian – ein Jurist und Historiker – im Westen aufgewachsen, vertritt aber wie viele Vertreter der armenischen Diaspora eine unnachgiebigere Haltung in den Verhandlungen um die armenische Enklave Berg-Karabach; Armenien hält nach wie vor einen Teil des aserbaidschanischen Staatsgebiets um die Enklave besetzt; Russland hat in der früheren Sowjetrepublik Armenien seine größte Militärbasis im Ausland.

Sarkissian, ein ehemaliger Kommandeur im Karabach-Krieg 1991–94, führte die prorussische Politik seiner Vorgänger fort. Die seit mehr als 25 Jahren dauernde Blockade der Grenzen durch die Türkei und Aserbaidschan lässt dem Land allerdings auch wenig Spielraum für außenpolitische Kursänderungen. Die Armenier hätten den Weg der Sicherheit gewählt, sagte Sarkissian Dienstag in einer nüchternen Erklärung. (Markus Bernath /DER STANDARD, 20.2.2013)