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Deutschlands Leitwölfin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama kämpfen gegen eine schuldengetriebene Abwärtsspirale an.

Foto: epa/GUILLAUME HORCAJUELO

Kämpft ein Land mit Staatsschulden über 80 Prozent und Exportproblemen, dann läuft es Gefahr, vom Markt abgestraft zu werden und seiner Finanzierungsquellen verlustig zu gehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Untersuchung von Bankern und Ökonomen.

Gewichtige Schräglage

Für ihre Studie haben David Greenlaw, James Hamilton, Peter Hooper und Frederic Mishkin Daten von 20 Volkswirtschaften ausgewertet. Sie wollten herausfinden, ob sich für die Jahre 2000 bis 2011 ein Zusammenhang  zwischen Geldbeschaffungskosten und sich verändernden Schuldenständen nachweisen lässt. Ihr Fazit: Ja, es gibt einen.  Steigt das Primärdefizit – der negative Saldo von Staatseinahmen und -ausgaben ohne den Schuldendienst -  gemessen an der Wirtschaftsleistung um einen Prozent, dann tun es auch die Zinsen auf neue Schulden des Landes – und zwar um 0,05 Prozent.

Noch gravierender verhält es sich mit dem Exportsaldo, den sich die Forscher in Fünf-Jahres-Zeiträumen angesehen haben. Ein Defizit in diesem Bereich bedeutet, dass das durch den Export von Gütern erwirtschaftete Geld nicht mehr ausreicht, um die Importe zu bezahlen. Kapital muss zugeschossen werden. Wächst diese Schräglage um einen BIP-Prozentpunkt, dann klettern die Zinsen um 0,18 Prozent nach oben.

Hoffen auf Schuldenbremsen

Ein Defizit von einem Prozent in diesen Bereichen zeitigt also Zinserhöhungen von "nur" 0,05 bzw. 0,18 Prozent. Klingt harmlos. Zudem sind in vielen Ländern, die ihre Schulden in den letzten Jahren erhöht haben – Stichwort Österreich oder Deutschland –, die Geldbeschaffungskosten sogar gesunken.

Die Lösung könnte dabei im verhältnismäßig geringen Schuldenstand liegen. Denn diese Volkswirtschaften halten sich noch knapp an der 80-Prozent-Schulden-Grenze und steuern jetzt mit allerlei Schuldenbremsen – Stichwort Fiskalpakt - dagegen.  

Dass der Zusammenhang von Exportschwächen und Schulden aber dramatisch sein kann, zeigt das Beispiel Griechenland. In den Jahren 2007 bis 2011 schrieb das Land ein Defizit nach dem anderen.  Die Staatsverschuldung stieg von 100 auf 160 Prozent an. In der Leistungsbilanz baute sich die importgetriebene Schlagseite auf zwölf Prozent auf. 100 Euro an Ausfuhren standen 112 Euro an Einfuhren gegenüber. Griechenland blieb nur ein Mehr an Verschuldung, denn seine Währung abwerten kann das Land nicht.

Versuchskaninchen Griechenland

Für sich genommen, erklären diese Sprünge im Statistik-Modell aber nur fünf bis zehn Prozent höhere Zinsen. In realiter hat bei der schlechten Ausgangsposition aber die Dynamik zugenommen, die Zinsen sind bis Ende 2011 um über 30 Prozent auf 35 Prozent angestiegen. Abseits der schlechten wirtschaftlichen Verfassung des Landes hatte dabei  vor allem die Panik der Anleger einen großen Anteil daran. Griechenland kann sich seitdem nicht mehr selbst finanzieren und muss sich von EU-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Geld leihen.

Diese Abwärtsspirale währt aber nicht immer. Sie tritt vornehmlich in Ländern auf, die keine eigene Geldpolitik betreiben. Griechenland, aber auch Irland oder Italien fallen in diese Kategorie. Die Beispiele Japan und USA hingegen zeigen, dass auch bei Importüberschüssen und einer Verschuldung, die – gemessen am BIP - 100 Prozent übersteigt, die Zinsen moderat bleiben.

Amerikanische Druckerpresse

Dass die größte Volkswirtschaft der Welt vor Finanzierungsproblemen gefeit ist, wollen die Studienautoren aber nicht gelten lassen. Sie sprechen von einem Damoklesschwert, das über den USA hänge. Banker Greenlaw und Kollegen gehen in ihrem Basisszenario davon aus, dass schon 2017 und 2018 die US-Notenbank Federal Reserve "erhebliche Verluste" mit ihren Währungsgeschäften einfahren wird. Am heftigsten käme es, wenn sich Demokraten und Republikaner auf kein solides Steuerregime einigen könnten. Die Schulden - und damit die Inflationsrisiken - würden weiter steigen.

Genau davor warnen die Studienautoren. Sollte die Teuerung zu höheren Zinsen führen und die Federal Reserve zugleich eine schwächelnde US-Wirtschaft durch Staatsanleihenkäufe stützen müssen, dann könnte das der Notenbank zusetzen. Und Geld verbrennen, das letzten Endes im Staatssäckel fehlt.

Zentrum versus Peripherie

Aber auch für die Eurozone sehen die Forscher große Risiken. Es drohe die "Argentinische Krankheit", wo das reiche Zentrum die Peripherie aushalte und hohe Inflation allgegenwärtig sei. Natürlich bleibt den Euroländern wie den USA ein Ausweg. So wie die historische griechische Figur Damokles - unter einem nur an einem Rosshaar hängenden Schwert fläzend - keine Freude mehr an Wein, Weib und Gesang fand und Bescheidenheit lernte, könnten auch die Politiker nach zwei Jahrzehnten des Schuldenmachens zu sparen beginnen und ihr Gemeinwohl auf fiskalisch solidere Beine stellen. (sos, derStandard.at, 11.3.2013)