Die architektonische Kardinaltugend Villa d'Este am Comer See.

Foto: Sascha Aumüller

Weht über der Sixtinischen Kapelle weißer Rauch, ist völlig klar: Es gab mal wieder nur einen einzigen und also recht eindeutigen Wahlsieger. Die übrigen aktiv und passiv Wahlberechtigten im Konklave sagen dann Sätze wie: "Bin ausgesprochen froh, weitherhin Kardinal zu sein." Ein Schelm, wer dabei gekränkte Eitelkeit im Subtext mitschwingen hört, führte doch letztlich erst das danach in aller Bescheidenheit geführte Leben in der zweiten Reihe zu erstrangigen Leistungen. In Tivoli bei Rom etwa zur mehr als einhundert Jahre dauernden Umgestaltung eines Benediktinerklosters zum Palast.

Und dennoch ist die heute als Welterbe eingetragene Villa d'Este in Tivoli wohl auch so etwas wie eine postkonklavische Trutzburg. Das gesamte Ensemble des Palastes mit all seinen Räumen, dem Neptunbrunnen und der Wasserorgel im Park, dieses herausragende Meisterstück der Renaissance-Architektur, ist nur aus einem einzigen Grund entstanden: Kardinal Ippolito d'Este war beleidigt, weil er trotz mehrerer Anläufe nie zum Papst gewählt wurde. Ab 1560 sorgte er dafür, dass man ein ganzes Tal nach den baulichen Bedürfnissen des neuen Hideaways umgekrempelte, sein Nachfolger Kardinal Alessandro d'Este ließ den Rest erledigen. Ein Einzelfall, mag man nun einwerfen, wäre da nicht dieses bemerkenswerte Plagiat in der langen Geschichte der Papstwahlen: Nur fünf Jahre später, 1565, veranlasste Kardinal Tolomeo Gallio den Bau der Villa d'Este in Cernobbio am Comer See.

Trutzburgen gekränkter Bauherren

Insgesamt siebenmal war Tolomeo Gallio Mitglied eines Konklave, ohne jemals selbst gewählt zu werden. Ob eine daraus resultierende Kränkung Bewegrund für die Bauherrentätigkeit war, ist allerdings nicht überliefert. Pingelige Historiker werden zudem völlig berechtigt ins Treffen führen, dass die Namensgleichheit nicht einmal beabsichtigt war: Zu seiner Villa del Garovo ließ Gallio das ehemalige Nonnenkloster umbauen - erst viel später taufte Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel den Palast auf "d'Este". Mit Papstwahlen hatte sie selbst freilich nie etwas zu tun, sie war nur unglücklich mit dem König von England Georg IV. verheiratet und wollte deshalb am Comer See ihre Ruhe haben. Ein abgeschotteter Ort für Rückzügler am edlen lombardischen Wasser ist die herrschaftliche Renaissance-Residenz seit Tolomeo Gallio jedenfalls stets geblieben: Die Villa d'Este ist seit 140 Jahren ein Luxushotel.

Falsche Bescheidenheit war in diesen bald schon heiligen Hallen der Polit- und Kulturprominenz allerdings schon lange keine Kardinaltugend mehr: Die stolzen Gärtner des Parks mit Herkulesbrunnen und Wasserspielen versuchen Vergleichen mit der Anlage in Tivoli nicht einmal annähernd zu widersprechen. Und mit einem schnöden Papamobil traut man sich auf der gekiesten Zufahrt zu diesem Park sowieso nicht vorfahren: Seit 1929 defilieren hier immer im Frühling beim Concorso d'Eleganza die nobelsten Automobile. Fehlt nur noch, dass hier ein grauhaariger Herr auf dem Balkon alle selig macht. Doch George Clooney hat seine Trutzburg zwei Buchten weiter gefunden. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, Album, 16.3.2013)