Teresa Margolles (49) aus Mexiko.

Foto: R. B. Salvador

Oral History: Aktivistinnen aus Guatemala sticken und bündeln ihre Energie gegen Gewalt an Frauen.

Foto: Galerie Peter Kilchmann/Teresa Margolles

Auch beim Donaufestival in Krems (bis 4. Mai) konfrontiert sie das Publikum wieder mit Blut und Tod.

Krems - Mehr als 70.000 Opfer hat der Drogenkrieg in Mexiko seit 2006 gefordert. Am schlimmsten betroffen ist Ciudad Juárez an der US-Grenze; 2010 waren es allein dort mehr als 3000 Opfer. Ganz zu schweigen von den ungeklärten Frauenmorden, die 1993 mit dem Fund zerstückelter Leichen begann. Bis heute sind es über 500; ebenso viele werden vermisst.

2004 reiste die mexikanische Künstlerin Teresa Margolles erstmals nach Ciudad Juárez. "Ich hatte große Angst als Frau", erzählt die Künstlerin. Sie ließ sich erklären, wo die toten Frauenkörper geborgen wurden, kaufte einen Van und fuhr die Route mit einer an den Wagen montierten Kamera ab. "Ich habe dort die mutigsten Frauen meines Leben kennengelernt", sagt Margolles. Die Frauen verstummen nicht, bäumen sich auf - aber hilft deren Initiative? "Ich weiß es nicht." Die Zahl der Morde, die mit dem Drogenkrieg zusammenhängen, sei nun zwar etwas geringer, aber die Gewalt gegen Frauen sogar angestiegen. Das sehe man daran, wie viele Frauen sich zusammentun, um ihre vermissten Töchter zu finden, sagt Margolles, der Militärkappe und kajalumrandete Augen ein resolutes Aussehen verleihen. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit der massiven Gewalt und der dadurch bedingten Allgegenwart des Todes in Mexiko. Auf die Frage nach einschneidenden Erlebnissen in ihrem eigenen Leben, antwortet sie: "In Sinaloa hat jeder einen Toten im eigenen Haus." Ihre Beschäftigung habe aber nichts damit zu tun, sondern mit der Realität. "Die wird sich nicht ändern."

Immer wieder arbeitet die Künstlerin, die letztes Jahr den Artes-Mundi-Preis, einen der international höchstdotierten Kunstpreise (ca. 50.000 Euro) erhielt, in Ciudad Juárez. PM 2010, eine Installation aus 313 Titeln des Boulevardblatts PM, zeigt die grausige Medienrealität, die Pin-up und "Mordsstory" mischt: "Der sexy Frauenkörper wird direkt neben verstümmelten Frauenleichen gezeigt", trotzdem würde die Zeitung, auf deren neueste Ausgabe die Leute mittags bereits warten, auch zum Einwickeln von Obst und Fleisch verwendet. Das Blatt fände also so oder so den Weg zu ihnen nach Hause.

"Die Gewalt wird in PM sehr roh beschrieben, aber es ist das, was passiert und worüber andere Medien, auch das Fernsehen, gar nicht berichten." In Mexiko Journalist zu sein sei gefährlich. "Ein Herausgeber fragte in einem offenen Brief einmal: ,Was wollt ihr denn, dass wir schreiben?', denn man hatte bereits drei Mitarbeiter seiner Redaktion umgebracht."

Subtil ist auch eine dritte Arbeit über Cuidad Juárez: In La Promesa, die Margolles 2012 im MUAC in Mexico City, wo sie auch lebt, realisierte, beschäftigte sie sich mit den mehr als 200.000 verlassenen Häusern. Die Künstlerin stellt die Frage, warum eine Frau ihr Zuhause, den Ort, wo ihre Kinder aufgewachsen sind, zurücklassen sollte. Eines dieser Häuser, in dem "Dinge" passiert sind - Margolles lässt die Art der Vorkommnisse stets offen -, kaufte sie und zerlegte das, was sonst unsanft und rasch abgerissen wird, respektvoll. "Ich behandelte es wie einen Körper." Es sei ihr sehr schwer gefallen, "denn ich musste mich auf die Seite der Macht begeben". Im Museum schüttete Margolles daraus eine staubige Linie auf. Freiwillige bewegten die Reste, in denen sich schmerzliche Erinnerungen an das Unbewahrte wiederfanden.

Blut und Wasser

Viele von Margolles' Arbeiten sind drastischer, verwendete sie doch Material, das mit dem toten Körper verbunden war. Auf der Biennale Venedig ließ sie 2009 vor dem mexikanischen Pavillon blutgetränkte Fahnen flattern; im Inneren wischten Angehörige von Gewaltopfern den Boden mit einer Mischung aus Blut und Wasser auf. Andernorts schockierte Margolles mit Nebel oder Seifenblasen, hergestellt aus dem Wasser von Leichenwaschungen.

"Ich spreche in meiner Arbeit vom Verlust. Mich interessiert, was die Tragödie eines Ermordeten in Familien anrichtet." Das Sprechen über Gewalt steht auch im Fokus ihrer Performance im Krems. Anknüpfend an eine Aktion in Guatemala 2012, erzählen Frauenrechtsaktivistinnen über die Situation indigener Frauen, während sie ein Leichentuch besticken. " Das Blut auf diesem Stoff könnte von einer von uns sein", heißt es in der Filmdoku. "Letztes Jahr wurden 700 indigene Frauen in Guatemala ermordet", sagt Margolles, "das sind mehr als in Cuidad Juárez." (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 27.4.2013)