David Rosse, Organisator des Hanfwandertags, und Toni Straka, Mediensprecher des Österreichischen Hanfverbands, vor dem Büro des Hanfverbands im siebenten Wiener Gemeindebezirk.

Foto: derstandard.at/mittendorfer

Auch im vergangenen Jahr fand in Wien ein Hanfwandertag statt. Hier ziehen die Demonstranten die Mariahilfer Straße entlang.

Foto: hanfwandertag.at

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch in Berlin fordern die Demonstranten am Global Cannabis March: "Legalize".

Foto: EPA/JOERG CARSTENSEN

"Gebt das Hanf frei!" - diese und andere Parolen werden tausende Cannabisfans am Samstag rufen, wenn sie im Rahmen des achten Wiener Hanfwandertags durch die Wiener Innenstadt ziehen. Weltweit demonstrieren an diesem Tag Millionen Menschen in mehr als 200 Städten für die medizinische Freigabe von Cannabis und die Gleichstellung mit Nikotin und Alkohol.

14.000 Anzeigen wegen Cannabis-Konsums

"Wir wollen mit dem Hanfwandertag ein Statement gegen die Prohibition von Cannabis setzen und zeigen, wie viele Menschen davon betroffen sind", sagt David Rosse, Obmann des Österreichischen Hanfverbands und Organisator des Hanfwandertags. Einer der Hauptgründe für die Demonstration ist die hohe Zahl an Anzeigen gegen Cannabis-Konsumenten in Österreich.

Laut jüngstem Suchtmittelbericht des Bundeskriminalamts (BKA) erfolgten im Jahr rund 20.000 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz. Knapp 14.000 davon richteten sich gegen Konsumenten von Cannabis. Die meisten dieser Anzeigen werden wieder zurückgezogen, erklärt Toni Straka, Mediensprecher des Österreichischen Hanfverbands.

Gesellschaftliche Stigmatisierung

Was jedoch bleibe, sei die gesellschaftliche Stigmatisierung. Außerdem gebe es bei der Strafverfolgung ein Ost-West-Gefälle. Während in Wien fast alle Anzeigen wegen Cannabis-Konsumation zurückgelegt werden, droht in vielen anderen Bundesländern eine striktere strafrechtliche Verfolgung.

Paradoxe rechtliche Situation

Auch wer in Österreich mit nur einem Joint erwischt wird, macht sich bereits strafbar. Im Suchtmittelgesetz gibt es zudem keine Unterscheidung zwischen weichen und harten Substanzen. Dazu gelten Besitz und Weitergabe von Drogen hierzulande als Offizialdelikt. Das heißt, die Polizei muss von sich aus einschreiten.

Nicht strafbar ist in Österreich der Konsum von Cannabis. Da dieser aber fast immer mit dem Besitz einhergeht, wird auch dieser in der Regel kriminalisiert. Auch der Anbau von Cannabis ist erlaubt - aber nur, solange die Pflanze nicht blüht.

Einsparung durch Entkriminalisierung

Kritisch hinterfragen Rosse und Straka auch den finanziellen Aufwand, der durch die Kriminalisierung von Cannabis entsteht. Denn jede Anzeige kostet öffentliches Steuergeld.

Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigt, dass durch die Cannabis-Entkriminalisierung innerhalb der EU jährlich pro EU-Bürger 70 bis 120 Euro eingespart werden könnten. Allein in Österreich ergibt das ein Einsparungspotenzial von durchschnittlich einer dreiviertel Milliarde Euro.

Gras auf Rezept

Eine Kifferveranstaltung ist der Hanfwandertag aber keineswegs, so Rosse. Eine zentrale Forderung des Hanfverbands ist die Freigabe von natürlichem Cannabis für medizinische Zwecke. "Manche Schmerzpatienten kommen im Rollstuhl, um für ihr Recht auf Cannabis zu demonstrieren", sagt Rosse. Medizinischer Nutzen und Freizeitkonsum würden einander dennoch nicht ausschließen. "Entspannungskonsum kann bei Menschen, die viel arbeiten, teilweise auch Krankheiten verhindern", sagt der Wandertagsorganisator.

Obwohl Cannabis in Österreich nicht legal ist, bekommen Menschen mit Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Krebs Dronabinol - einen Wirkstoff der Cannabispflanze - in Form von Tropfen verschrieben. Pro Patient kann das die Krankenkassa bis zu 2.000 Euro monatlich kosten, so Rosse. Viele Patienten würden aber lieber natürliches Cannabis in der Apotheke kaufen und selbst entscheiden, ob sie dieses rauchen, verdampfen oder oral einnehmen.

Vorreiter USA

Eine Vorreiterrolle in der medizinischen Verwendung von Cannabis nehmen laut Straka die USA ein. Mittlerweile ist natürliches Cannabis in 18 US-Bundesstaaten für medizinische Behandlungen zugelassen. Studien, die den Heilungserfolg belegen, gibt es aber bis heute nicht. Grund dafür ist, dass Cannabis als "Schedule One Drug" klassifiziert ist, wodurch medizinische Untersuchungen mit der Substanz untersagt sind. Dennoch gibt es in Amerika 1,5 Millionen Cannabis-Patienten.

Eine Entwicklung, die langsam auch Europa erreicht: In Tschechien können Ärzte seit April ihren Patienten Cannabis für medizinische Zwecke verschreiben. Die Kosten dafür werden jedoch nicht von der Krankenkasse übernommen. Jeder Patient darf pro Monat Cannabis im Wert von maximal 1.500 Kronen (knapp 60 Euro) kaufen.

Liberalisierung der Drogenpolitik

Generell zeichnet sich für Rosse und Straka ein Trend Richtung Entkriminalisierung von Cannabis ab. In den USA haben im vergangenen Jahr die Bundesstaaten Colorado und Washington den privaten Konsum von Cannabis durch Volksabstimmungen legalisiert. Der Kauf und Verkauf ist weiterhin verboten.

In Portugal gelten Besitz, Kauf und Konsum kleiner Mengen illegaler Substanzen seit 2001 als Ordnungsdelikt und wurden dadurch entkriminalisieriert. Im Zuge der Liberalisierung der Drogenpolitik in Tschechien werden dort seit 2010 "geringe Drogenmengen" zum persönlichen Gebrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Auch der Anbau von fünf Marihuanapflanzen pro Person ist für den Eigengebrauch erlaubt.

Cannabisclubs in Spanien

Sogenannte Cannabisclubs haben sich in Spanien etabliert. Das Einzige, was man braucht, um dort straffrei Cannabis konsumieren zu können, ist die Einladung eines anderen Clubmitglieds. Durch einen monatlichen Mitgliedsbeitrag wird die Aufzucht der namentlich zugeordneten Pflanzen finanziert. Auch hier gilt das Eigengebrauch-Prinzip. Obwohl ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Spanien feststellte, dass diese Clubs nicht gegen die Internationale Drogenkonvention von 1961 verstoßen, sind die Clubs in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt.

Restriktive Forderungen in Österreich

In Österreich forderte unterdessen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Jänner die Einführung von Haartests bei potenziellen Drogenkonsumenten. Straka und Rosse sind dennoch überzeugt, dass auch hierzulande die Drogenpolitik bald liberaler wird: "Der Druck von internationaler Seite steigt." Auf ein Modell für den Umgang mit Cannabis in Österreich möchten sie sich nicht festlegen. "Es ist Aufgabe der Experten des Gesundheitsministeriums, unterschiedliche internationale Modelle zu vergleichen und eines für Österreich zu erarbeiten", sagt Rosse.

Wofür er jedoch plädiert, ist das Recht auf Eigenanbau für den Privatkonsum, der sich am Brauereigesetz orientieren soll. Cannabis darf dann nur unter bestimmten Richtlinien angebaut werden. Eine Qualitätskontrolle, die es bei am Schwarzmarkt erhältlichem Cannabis nicht gibt.

Potenzial als ökologischer Rohstoff

Neben der gesellschaftlichen und medizinischen Komponente wollen Rosse und Straka beim Hanfwandertag auch auf die Bedeutung des ökologischen Rohstoffs Hanf hinweisen. Dieser ist von Lebensmittel- bis hin zur Kleidungs- und Kosmetikherstelltung vielseitig einsetzbar. Wirtschaftlich rentieren würde sich der Hanfanbau für Landwirte aber erst dann, wenn sie die gesamte Pflanze - inklusive THC - verarbeiten könnten, so Rosse.

Mehr Anzeigen gegen Minderjährige

Trotzdem will Rosse Cannabis nicht verherrlichen. "Speziell für junge Menschen oder Erwachsene, die noch nicht ausgereift sind, kann der Konsum schwerwiegende negative Konsequenzen haben", sagt er. Die Ursache für die steigende Zahl jugendlichener Konsumenten sieht er vor allem im unregulierten Markt, auf dem Cannabis für nahezu jeden verfügar ist, der Geld hat.

Auch der Suchtmittelbericht des Bundeskriminalamts zeigt, dass sich die Anzeigen wegen Drogendelikten gegen 14- bis 18-Jährige seit 2005 auf 670 im Jahr beinahe verdoppelt haben. In mehr als 80 Prozent der Fälle handelt es sich um Delikte mit Cannabis. Für Rosse ein Indiz dafür, dass die Politik verantwortungslos mit dem Thema umgeht.

Pflanzenaufzucht statt Komatrinken

Für ihn ist klar, dass es einen veranwortungsbewussten Cannabis-Konsum nur geben kann, wenn die Gesellschaft ihren Umgang mit Genussmitteln neu lernt. Auch Straka sieht hier Aufklärungsbedarf: "Bei uns wird die drogenfreie Gesellschaft mit dem Weinglas in der Hand gepredigt. Mir ist es lieber, Jugendliche beschäftigen sich mit der Aufzucht einer Pflanze als mit dem Komatrinken." (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 3.5.2013)