Die Deutsche Telekom hat eine Diskussion über die Netzneutralität hervorgerufen

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Die Deutsche Telekom hat mit ihrer Ankündigung, künftig Festnetztarife nur noch mit Volumensbegrenzung anzubieten, für heftige Diskussion gesorgt. Künftig will sie bei Kunden, die eine bestimmte Datenmenge pro Monat verbraucht haben, die Datenleitung empfindlich drosseln. Das heißt, User_innen müssen ab diesem Zeitpunkt mit einem winzigen Bruchteil ihrer eigentlichen Bandbreite auskommen. Die dabei angedrohten 384 kbit/s werfen Deutschland zurück ins Modemzeitalter. Und das Thema betrifft nicht Deutschland allein. In diesem Artikel beleuchten wir die wirtschaftlichen und politischen Dimensionen einer solchen Entscheidung.

Wirtschaftliche Notwendigkeit

Der Vorstoß der Deutschen Telekom wird von vielen Seiten mit großer Sorge beobachtet, denn das Unternehmen führt eine künstliche Verknappung einer zentralen Infrastruktur des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens herbei. Diese Verknappung, in Form der angekündigten Volumensbegrenzung für Festnetz Tarife ist weder technisch noch wirtschaftlich notwendig. Die Kosten für den Betrieb des Netzes sind fast unabhängig von dessen Auslastung, lediglich der Ausbau und die Erschließung neuer Gebiete (v.a. ländlicher Raum) fallen hier ins Gewicht.

Mängel in der Unternehmensführung

Die Telekom argumentiert jedoch diese neue Maßnahme mit fehlenden Kapazitäten. Wenn dem so ist, stellt das den eigentlichen Skandal dar. Der Verbrauch von Bandbreite ist zwar in den letzten Jahren exponentiell gewachsen, stellt allerdings nichts dar, womit ein internationaler Konzern, nicht rechnen, beziehungsweise sich darauf vorbereiten hätte können. Dieser Indikator für fehlenden Netzausbau in den letzten Jahren zeugt eher von gravierenden Mängeln in der Unternehmensführung. Einmal mehr wäre Transparenz eine Option, welche Klarheit in diese Belange bringen könnte. Die Verpflichtung für Netzbetreiber, die Kapazitäten ihrer Infrastruktur offen zu legen, würde besonders in Österreich mit seiner hohen staatlichen Förderung von Infrastrukturinvestionen auch im Sinne der Transparenz staatlichen Handelns eine sinnvolle Maßnahme darstellen.

Volkswirtschaftlich gefährlich

Unabhängig von der aktuellen Kapazität der Netze ist die einzig richtige Antwort auf steigende Bandbreiten-Nachfrage der Netzausbau. Hinter dem immer weiter steigenden Bandbreiten- und Volumensbedarf steckt ein tiefgreifender Wandel modernen Wirtschaftens (Stichwort E-Commerce, Teleworking, M2M, Industrie 4.0, etc.) und der Gesellschaft - insbesondere unseres Bildungssystems. Dieser Nachfrage nach zunehmender Vernetzung mit einer Verknappung des Netzzuganges zu begegnen macht marktwirtschaftlich keinen Sinn und ist volkswirtschaftlich gefährlich.

Dantenintensive Internetdienste

Das Argument der Telekom, ihre vorgestellten Tarife würden aktuell nur ca. drei Prozent ihrer Kunden betreffen, ist mit Hinblick auf die Enführung 2016 und den exponentiell steigenden Bandbreitenbedarf sehr kritisch zu bewerten. Ein solches Volumen-Limit wird die Entwicklung gewisser datenintensiver Internetdienste abbremsen bzw. einen rückläufigen Trend entwickeln. Datensicherung in der Cloud, Musik- und Film-Streamingdienste, Teleworking und eLearning können mit Verträgen mit Bandbreitenlimitierungen nicht mehr sinnvoll oder nur noch in niederer Qualität genutzt werden.

Meinungsfreiheit gefährdet

In der Strategie der Deutschen Telekom macht die Einführung von Volumensbegrenzungen nur im Hinblick auf eine einzelne strategische Entscheidung Sinn: Die Abschaffung der Netzneutralität und die Einführung eines doppelten Marktes. Wie bereits angekündigt, plant die Telekom ihre Geschäftspartner und eigene Angebote von den Volumensbegrenzungen auszunehmen. Dadurch wird ein doppelter Markt etabliert, in dem neutrales Internet nur noch in Kontingenten verkauft wird und alle darüber hinaus gehenden Dienste auf einem eigenen Markt nicht mehr gegenüber dem Kunden, sondern dem Netzbetreiber konkurrieren müssen. Diese Ungleichbehandlung von Datenströmen durch den Provider ist der Grund wieso Chile, die Niederlande oder Slowenien bereits Gesetze zum Schutz der Netzneutralität erlassen haben. Provider gefährden so durch Eingriffe in die Neutralität der Netzinfrastruktur sowohl den Markt als auch die Meinungsfreiheit in ihren Netzen, was im Falle von großen Anbietern wie eben der Deutschen Telekom diese Frage letztendlich zu einer politischen anstelle einer rein wirtschaftlichen Entscheidung macht.

Absolute Wahlfreiheit

Was das Internet aber zu einem so ein guten Katalysator für Innovation und Vielfalt macht, ist genau diese Netzneutralität. Neue Ideen sind schnell umgesetzt, die Markteintrittshürde ist gering, etablierte Angebote und Newcomer stehen gleichberechtigt nebeneinander und Kunden haben absolute Wahlfreiheit. Diese Charakteristik begründet sich in der Neutralität der Infrastruktur: Welche Kommunikation stattfindet, wird ausschließlich an den Endpunkten des Netzwerks - beim Kunden einerseits und beim Anbieter andererseits - entschieden, das Netzwerk selbst trifft hingegen keine Unterscheidungen  über die Priorität, Qualität oder Legalität eines Datenpaketes.

Wenn jetzt aber große Telekomunikationskonzerne versuchen mit ihren eigenen Angeboten oder kartellrechtlich bedenklichen Partnerprogrammen diesen Innovationsfluss in Produktpakete zu unterteilen, werden wir die kreativste Zeit der Internetwirtschaft bald hinter uns haben.

Stillstand

Aus den genannten wirtschaftlichen Gründen und natürlich auch aus Überlegungen zur sozialen Gerechtigkeit und Meinungsfreiheit ist eine gesetzliche Absicherung unumgängliche Bedingung für eine digitale Gesellschaft. Auf europäischer Ebene sehen wir, seit 2009 Kommissarin Neelie Kroes ins Amt gekommen ist, leider einen Stillstand in Sachen Netzneutralität. Es ist an der Zeit dem Beispiel der Niederlande und Sloweniens zu folgen und die Neutralität der Netz-Infrastruktur für unsere Zukunft abzusichern. Genau das fordern wir mit unserer Kampagne unsernetz.at. (Thomas Lohninger, derStandard.at, 3.5.2013)