Jetzt geht's dahin: Artner am Franziskanerplatz scheint dank des neuen Küchenkonzepts von Altmeister Helmut Österreicher nun endlich seinen Stil gefunden zu haben.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Verlorenes Ei etwa auf knackig kurz geschmortem Frühlingsgemüse.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Manchmal dauert's halt ein bisserl. Als Winzerspross Markus Artner die alte Buchbinderei am Franziskanerplatz zum modischen Restaurant umbaute, hat das zwar viel Geld gekostet und auch Wind gemacht - so richtig abheben wollte das Lokal aber nie.

Dabei investierte Artner eh auch in entsprechende Küchen- und Servicestars, versuchte es mit hochgezwirbelten Kreativkonzepten ebenso wie mit einer luxuriös italianisierenden Linie, setzte zwischendurch auf exorbitant kalkulierte Steaks aus dem Josper-Grillofen und stellte so sicher, dass alle Jahre wieder über "Artner neu" berichtet wurde.

Am Herd

Jetzt also wieder. Helmut Österreicher, Denkmal der neueren Wiener Küche, Ex-Steirereck und zuletzt Namensgeber für den systemgastronomischen Wirtshausversuch "Österreicher im MAK" (begann stark, ließ aber ebenso dezidiert nach), ist Artners neuer Küchendirektor.

Bis alles rund läuft, wird er auch am - oder wenigstens nahe am Herd stehen. Der eigentliche Küchenchef ist Markus Krenn. Der lernte unter Österreicher im Steirereck, war lange bei Gradwohl im Meinl zugange und zuletzt, wie auch der neue Servicechef Herbert Schmid, im Eisvogel. Österreicher hält viel auf Krenn - und so, wie die Küche bei Vollauslastung funktioniert, ist man geneigt, ihm zu folgen. Vor allem aber gewinnt man als Gast den Eindruck, dass da ein Weg gebahnt wird, auf dem Artner es einerseits unaufgeregter angehen und gleichzeitig beständige Qualität gewährleisten kann.

Witz und Qualität

Zum Ersten stehen die Vorspeisen nach kaum zehn Minuten auf dem Tisch - ideal, wenn man hungrig auf den Tisch gewartet hat und entsprechend knurrend am Sessel wetzt. Zum Zweiten beweist das Essen nicht nur Witz und Qualität, sondern bietet im Vergleich zu vorher auch günstigere Optionen - und, vor allem, eine inspirierte Form der Wiener Küche, wie man sie sonst in der Stadt kaum finden wird.

Verlorenes Ei etwa kommt auf knackig kurz geschmortem Frühlingsgemüse, das mit einer pikanten Paprikacreme angemacht ist. Dazu gibt's einen halben scharfen Pfefferoni. Der beatmet das Gericht mit exakt jenem Feuer, das der ortsansässigen Küche sonst oft abhanden gekommen zu sein scheint.

Richtig gut ist auch die kühle (nicht kalte!) Schweinsbackerlsulz, zart geliert, souverän abgeschmeckt, die mit bitteren Wildkräutern - aber zum Glück ohne aggressives Zwiebelzeug - serviert wird, wobei die Kräuter mit einem ordentlichen Schuss vom süßschmelzigen Percoraro-Essig konterkariert werden.

Geschmorte Hendlherzen firmieren als Vorspeise, in Kombination mit Artischocke und schwarzen Oliven verbinden sie sich zum nuancierten wie auch anheimelnd molligen Erlebnis - dazu Erdäpfelnocken fürs Safterl, und man hat fast eine Hauptspeise.

"Fingerlick"-Qualität

Damit vergäbe man sich aber Österreichers Ideen vom wienerischen Umgang mit dem Josper - und die sind mindestens so erfreulich wie die Konzentration auf angeblich Unedles bei den Vorspeisen: Ausgelöstes halbes Hendl etwa wird scharf wie saftig gegrillt und entwickelt in Kombination mit einer köstlich pikanten Marinade erstklassige "Fingerlick"-Qualität. Außerordentlich gut ist das über vier Wochen trocken gereifte Schweinskotelett vom Grill - sehr tröstlich, wenn einem eine arme Sau so viel Freude geben kann.

Köstlich im Sinn von unterhaltsam ist auch der Zwiebelrostbraten vom Holzkohlengrill, für den das Fleisch kurz auf die Glut darf, dann aber ganz brav mit Buttersaftl und Knusperzwiebeln zu Tisch kommt: eine abwegige, geschmacklich gleichwohl gültige Variation - zumindest für Zwiebelrostbraten-Fetischisten wie den Autor dieser Zeilen.

Spaß bietet auch die Weinkarte, wo Artner neben allerhand klassischer Noblesse nunmehr etliche hoch individuelle Weine aus der biodynamischen bis orangen Ecke bereithält - heimische ebenso wie deren große Vorreiter von der Loire, des Burgund oder sogar des Jura. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 17.5.2013)