Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter werfen sich in Schale.

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Der aktuelle Hit nennt sich "Get Lucky". Wenn man ihn zum Beispiel gefangen mit Kindern im Auto mehrmals hintereinander hören darf, weil Kinder über die Wiederholung lernen und daraus Sicherheit gewinnen, fräst er sich derart heftig in die Synapsen, dass man nachts manchmal mit Erstickungsgefühlen aufwacht. Man bekommt plötzlich keine Luft mehr, weil man glaubt, unter einem goldenen Motorradhelm gefangen zu sein.

Auch die Botschaft dieses durchaus selbst zur Repetition neigenden akustischen Frontalangriffs im Lalelu-Modus ist an das Kind in uns allen gerichtet: "We stay up all night to get lucky!" Bloß nicht ins Bett gehen. Nachts ist es ohnehin schon fad genug, weil die Sonne nicht scheint, da muss man deswegen nicht auch noch schlafen.

Das französische Duo Daft Punk hat sich nach dem orchestralen Soundtrack-Schmafu zum Hollywood-Blockbuster "Tron: Legacy" von 2010 endlich wieder in Schale geworfen, um ein wenig in die Disco zum Ausschweifen zu gehen. Das Modehaus Yves Saint Laurent und Hedi Slimane haben dafür fesche neue Wäsche für die Disco und ordentlich glänzende Helme beigesteuert. Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter haben sich eine Dienstreise nach Amerika gegönnt.

Nach ihrem sensationellen Debüt "Homework", mit dem sie 1997 die elektronische Tanzmusik an der Schnittstelle von House und Disco neu, zweckmäßig schlank und hundertfach kopiert bis heute gültig als Maschinentanz definierten, produzierten sie dort jetzt endlich mit "Random Access Memories" ein zweites relevantes Album.

"Around The World" und "Da Funk" sind eine kleine Ewigkeit her, ebenso "One More Time" aus dem zweiten, barocküberkandidelten 1970er-Disco-Kitsch-Album "Discovery" mit dem eben verstorbenen House-Sänger Romanthony am Mikrofon. 2005 folgte mit den Tracks von "Human After All" ein radikaler Bruch weg von der Sampling-Technik und den eleganten Funk-Grooves zur Böllerelektronik und angenehm exekutierter Ideenlosigkeit (eine unterschätzte Tugend in der Kunst!).

Deshalb darf man sich die Tracks auf "Random Access Memories" jetzt als so etwas Ähnliches wie die Zusammenfassung des bisherigen Schaffens vorstellen.

Wahrhaftige Musiker Dabei arbeiten Daft Punk weiterhin weitgehend ohne Sampler. Mit diversen hochdotierten Studiocracks wie dem Disco-Miterfinder Nile Rogers an der Gitarre, der einst mit seiner Band Chic und Hits wie "Le Freak" Disco zum globalen Phänomen hochjazzte, versucht man sich allerdings an einem analog produzierten Reenactment der Discogeschichte. Beinahe jeder Ton auf diesem Album wurde von wahrhaftigen Musikern eingespielt.

Zwar verzichten Daft Punk trotz Gastsänger Pharrell Williams, ihrer eigenen Roboterstimmen oder des hier den Märchenerzähler gebenden Südtiroler Discogottes Giorgio Moroder, der einst mit "I Feel Love" die Maschine auf den Tanzboden brachte, weitgehend auf herkömmliche Songstrukturen. Immerhin handelte es sich bei Disco damals schon auch um Lieder, die man selbst auf der Wandergitarre hätte spielen können, wenn man nicht solche Wurstfinger gehabt hätte.

Der Wiedererkennungswert ist bei Titeln wie "Give Live Back To Music" oder "Instant Crush" mit Julian Casablancas von den Strokes in der Autotune-Effekthölle allerdings sofort gegeben. Im Gegensatz zu ihren Anfängen mit "Homework" wird heute bei Daft Punk zwar etwas nachdenklicher Richtung Sonnenaufgang getanzt.

Es hat sich auch ein gewisser altersdekadenter Fleetwood-Mac-Anteil eingeschlichen. Im Gegensatz zu anderen minimalistisch vorgehenden Kollegen kann man sich bei den Kunstwerken Daft Punks aber zumindest etwas vorstellen. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 24.5.2013)