Mein Garten, meine Fotovoltaikanlage an der Fassade: Eine vierköpfige Familie testete dieses Effizienzhaus Plus in Berlin.

Foto: BMVBS

Auf dem Esstisch stehen Kuchenteller und Kaffeetassen, in der Vase bunte Blumen, Kinderschuhe liegen im Vorzimmer herum. Wer das Effizienzhaus Plus in der Berliner Fasanenstraße besucht, der merkt zunächst gar nicht, dass er sich in einem ganz besonderen Haus befindet.

Auf den ersten Blick sieht man nur: Hier lebt eine Familie - nämlich Jörg Welke (43), der in der Öffentlichkeitsabteilung eines Umweltinstituts arbeitet, Kunsthistorikerin Simone Wiechers (43) und die beiden Kinder Freya (12) und Lenz (9). "Hier herinnen merkt man nicht viel, aber das Haus hat es in sich", sagt Welke. Denn die zweigeschoßige 130 Quadratmeter große Bleibe mitten in der Berliner City-West soll mehr Energie produzieren, als seine Bewohner verbrauchen können.

Der futuristisch anmutende Bau hat nicht nur eine eigene Wärmepumpe und eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach sowie auf den Fassaden. Die Energie, die das Haus erzeugt, wird in Hochleistungsbatterien gespeichert und nicht nur für das Haus genutzt, sondern auch zur Betankung der Elektroautos. Diese stehen praktischerweise direkt vor der Tür des Hauses, das somit Welkes eigene Tankstelle ist.

Elektroautos vor der Tür

Für die Berliner Familie sind die Autos eigentlich überflüssig. Im "richtigen Leben" wohnt das Quartett im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg und hat gar kein eigenes Kfz, weil es in der Großstadt keines braucht. Doch die Kombination mit den Elektroautos, die verschiedene deutsche Autohersteller zur Verfügung stellen, gehört zum Modellhaus.

In Auftrag gegeben hat es das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Geplant und gebaut wurde es von einer Arbeitsgemeinschaft der Universität Stuttgart (Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren, Institut für Gebäudeenergetik, Lehrstuhl für Bauphysik, Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement).

Familie Welke/Wiechers wurde per Los zur "Modellfamilie" auserkoren, um das Haus auf seine Praxistauglichkeit zu prüfen. Zu ausgewiesenen Energieexperten mussten die Eltern nicht werden, denn, so Welke: "Es ist alles ganz einfach zu bedienen."

Kontrolle per Smartphone

Via Touchscreen im Haus oder per Smartphone von unterwegs können die Lichter im Haus an und abgeschaltet, die Jalousien hinauf- und hinuntergelassen werden. Elektrisch funktioniert das Heizungs- und Belüftungssystem. Sensoren melden Frischluftbedarf, im Winter wird die einströmende an der ausströmenden Luft erwärmt, um den Wärmeverlust niedrig zu halten.

Im März 2012 zog die Familie ins Haus, jetzt im Juni geht es wieder zurück in die eigene Wohnung. Mit der Bilanz der Familie ist Minister Peter Ramsauer (CSU) zufrieden: "Unser Praxistest zeigt, dass sich dieses einzigartige Modellprojekt auch im Alltag bewährt. Das Haus liegt deutlich im Plus." Allerdings war das Plus aufgrund des trüben Sommers 2012 nicht so groß wie zunächst erwartet, das räumt auch das Ministerium ein.

Kritische Bilanz

Die Tageszeitung "Die Welt" kommt beim Vergleich der Werte zu einer deutlich kritischeren Bilanz und schreibt, dass die Elektrofahrzeuge nur zu einem Viertel mit selbsterzeugtem Strom versorgt werden konnten. In einem Jahr mit "normalen" Stromgewinnen aus der Solaranlage hätte die einhundertprozentige Versorgung allerdings geklappt.

Nach der Rückkehr der Familie in deren eigene Wohnung wird das Effizienzhaus Plus nicht geschlossen, sondern als Tagungs- und Veranstaltungszentrum zum Thema Energiewende genutzt.

Jörg Welke ist ganz froh, dass er jetzt wieder in seine eigenen vier Wände zurückkehrt: "Ein bisschen haben wir hier in dem Modellhaus ja wie im Zoo gelebt." Doch er und seine Familie nehmen viele Erkenntnisse mit nach Hause. "Klar gibt es Geräte, die den Energiebedarf minimieren. Aber das Denken nehmen sie einem nicht ab. Wie man Ressourcen sparsam einsetzt, entscheidet immer noch der Mensch selbst." (Birgit Baumann, DER STANDARD, 1./2.6.2013)