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Schon 2011 protestierte Greenpeace für einen besseren Schutz des Beckens.

Foto: APA/Greenpeace/Somogyi-Toth

Wien - Einem etwa fünf Meter breiten Sandstrand folgen ein paar Büsche und Bäume sowie ein schmaler Landweg. Das ist alles, was die Donau von der riesigen Rotschlammdeponie im ungarischen Almásfüzitö trennt. Zumindest noch: Denn die Wassermassen aus Österreich drücken nach, und die Sammelstelle ist nur 100 Kilometer von der österreichisch-ungarischen Grenze entfernt.

Am Donnerstag oder Freitag wird der Höchststand erwartet. Es ist fraglich, ob die Mauer des veralteten Beckens, die gleichzeitig als Schutzdamm dient, das Hochwasser unbeschadet übersteht. Eine Umflutung des Geländes ist sehr wahrscheinlich, aufgeweichtes Erdmaterial könnte die Stabilität der Mauer gefährden. Eine Überflutung ist nicht ganz ausgeschlossen. "Das wäre ein absolutes Desaster für die Umwelt", sagt Karl Lorber dem STANDARD.

Lage neben Natura-2000-Schutzgebiet

Der Leiter des Departments für Umwelt- und Energieverfahrenstechnik sowie Leiter des Lehrstuhls für Entsorgungs- und Deponietechnik der Montanuni Leoben hat schon 2011 im Auftrag von Greenpeace ein technisches Gutachten über die Deponie in Almásfüzitö erstellt.

Das Ergebnis: Auf dem Gelände der ehemaligen Aluminium-Fabrik aus Zeiten des Kommunismus werden zwölf Millionen Tonnen Rotschlamm gelagert, der die fischgiftigen Stoffe Aluminium und Eisen enthält und mit Arsen, Blei und Chrom kontaminiert ist. Zusätzlich wird die Deponie an der Grenze zur Slowakei, die sich unmittelbar neben einem Natura-2000-Schutzgebiet befindet, als Giftmülllager verwendet.

Standort "unmöglich und höchst gefährlich"

"Auf der Liste stehen über 200 gefährliche Komponenten, die in Österreich nirgendwo abgelagert werden dürften", sagt Lorber. Die für den Professor haarsträubende behördliche Begründung: Die Ablagerung - jährlich sind 132.000 Tonnen gefährliche Abfälle erlaubt - diene der Vererdung und Kompostierung. "Wie schwermetallhaltige Komponenten dazu verwendet werden können, ist mir aber ein Rätsel."

Für Lorber ist alleine schon der Standort direkt neben der Donau "unmöglich und höchst gefährlich. Nach EU-Verordnungen dürfte das nie akzeptiert werden. Selbst wenn das ein Lager mit harmlosem Bauschutt wäre, würde das in Österreich niemals neben einem Fluss genehmigt werden." Zudem ist die Deponie in einem Überschwemmungs- und Erdbebengebiet gelegen. "Auch unter normalen Umständen ist schon genug Gefährdungspotenzial da."

Greenpeace hat schon 2011 die Schließung des Giftmüll-Depots und eine Altlastensanierung des Rotschlamms gefordert. Passiert ist seither nichts. "Dieses Geld hat Ungarn derzeit aber nicht", sagt Sprecher Herwig Schuster. Die Umweltschutzorganisation ist mit einem Team vor Ort und beobachtet die Entwicklung in Almásfüzitö laufend. Bei der letzten großen Hochwasser-Katastrophe 2002 soll die Deponie laut Recherchen von Greenpeace umflossen gewesen sein, der Damm hat damals gehalten. Lorber hat bei seinem Besuch 2011 vor Ort aber "nachweislich Stellen mit Sickerwasser in der Donau" entdeckt.

Die Katastrophe von Kolontár

Insgesamt gibt es in Ungarn drei Rotschlammdeponien. Während das Becken in Mosonmagyaróvár nahe Nickelsdorf als vergleichsweise unbedenklich gilt, ereignete sich am 4. Oktober 2010 in Kolontár die Katastrophe: Keine 150 Kilometer südlich von Almásfüzitö brach ein Becken, der Giftschlamm ergoss sich in den Hochwasser führenden Bach Torna und überflutete das 850-Einwohner-Dorf. Zehn Menschen starben an den Folgen, 300 Häuser wurden weggerissen, ganze Landstriche und Flüsse um Kolontár wurden vergiftet und verseucht.

Eine Rotschlammwelle ist in Almásfüzitö nicht zu befürchten.  Bauxitverarbeitung gibt es hier schon länger nicht mehr, die Substanz in den Becken ist bereits eingedickt. Allerdings können giftige Stoffe des Rotschlamms und der Giftmülldeponie bei Hochwasser in die Donau und ins Grundwasser gelangen. "Das Ergebnis wäre eine internationale Umweltkatastrophe", sagt Schuster. "Budapest ist nicht weit entfernt. Die Trinkwasserversorgung von halb Ungarn wäre gefährdet." (David Krutzler, DER STANDARD, 6.6.2013)