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Der Tiroler Arthur Pauli hat seine Skisprung-Karriere im Alter von 21 Jahren beendet.

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Die siegreiche ÖSV-Mannschaft im Februar 2007 in Willingen: Gregor Schlierenzauer, Arthur Pauli, Wolfgang Loitzl (v. l.), Andreas Kofler (kniend)

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Wien/Innsbruck - Auch bei Skispringern liegt oft buchstäblich nur ein schmaler Grat zwischen Ehrgeiz und Absturz, Übungswahn und Vergeblichkeit, springerischem Alleskönnertum und fliegender Verirrung. Alpha und Omega. Wobei Gregor Schlierenzauer im Jahr 2008 wohl das Alpha symbolisierte, sein Stern ging mit dem Skiflugweltmeistertitel in Oberstdorf endgültig auf. Das Omega war im selben Jahr quasi für Arthur Pauli übrig geblieben.

An seinen Sturz beim Mattenspringen in Bischofshofen kann sich Pauli nicht erinnern. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, lag nach einer schweren Lungenquetschung, Schulterbrüchen und Prellungen sogar kurzzeitig im Koma. Danach nahm er an keinem Weltcup-Springen mehr teil. "Springst du auf Sicherheit, gewinnst du nichts. Bewegst du dich an der Grenze, geht es vielleicht schon um Medaillen. Ein Schritt zu weit, und du liegst im Krankenhaus", sagt Arthur Pauli, mittlerweile 24 Jahre alt.

Kein Einfluss

Der Tiroler traute sich danach nicht einmal mehr im Training vom Bakken, versuchte mit Hilfe einer Traumapsychologin in Innsbruck über seine Angst- und Panikzustände hinwegzukommen. Ein Jahr hat er mit ihr gearbeitet. "Ich habe es nicht geschafft, dieses Trauma zu überwinden. Ich kann es mir auch nicht erklären, wie ein Thomas Morgenstern mit seinen teils heftigen Stürzen in der Vergangenheit klarkommt. Ich dachte immer, ich kann viel wegstecken, bin ein Stehaufmännchen. Ich weiß, woran es gescheitert ist, darauf habe ich aber keinen Einfluss."

Als Schüler im Skigymnasium Stams überflügelte Arthur Pauli seinen Kollegen Gregor Schlierenzauer auf der Schanze noch. Pauli wurde mit 16 Junioren-Vizeweltmeister, mit 18 gewann er mit Andreas Kofler, Wolfgang Loitzl und Schlierenzauer das Springen von Willingen. Bei der Vierschanzentournee steht immerhin ein sechster Platz von Bischofshofen 2007. Pauli war ein großer Hoffnungsträger des ÖSV, genauso wie der erst vor kurzem zurückgetretene Mario Innauer.

Der "Schlieri" sei aber einfach ein geborener Skispringer, obwohl sein Erfolg nicht klar absehbar gewesen sei. "Es ist ein Prozess. Wer es als Talent psychisch früher begreift, dass Spitzensport keine unmögliche Träumerei ist, hat klar Vorteile. Gregor hat sehr früh verstanden, worum es geht. Ich aber auch."

Land ohne Berge

Während Schlierenzauer mittlerweile zum erfolgreichsten Skispringer aller Zeiten avanciert ist, sind für Arthur Pauli andere Türen aufgegangen. Nur ein Jahr nach seinem Sturz kam der Anruf vom Niederländischen Skiverband, Pauli hatte keinen ganzen Tag Bedenkzeit und wurde mit 22 Jahren zum jüngsten Sprunglauftrainer der jüngeren Geschichte. Ein Abenteuer als Entwicklungshelfer in einem Land ohne Berge, ohne nennenswerte Infrastruktur und ohne Trainerstab: "Da kann man nichts delegieren, man darf alles selbst machen."

In den Niederlanden gibt es eine Schanze, sie lässt Weiten bis zu 20 Metern zu. Das reicht freilich nicht einmal zum Üben für den Kontinentalcup. Also trainierte Pauli mit dem Oranje-Nachwuchs meist in den Alpen. Seine Angst vor dem Springen hat seinen Trainerjob nicht beeinflusst. Er zeigte Athleten nur mehr Kniebeugen und Bewegungsabläufe vor. "Sprungschuhe hatte ich zuletzt vor einem Jahr an, das war ein ungutes Gefühl. Ich habe sie wieder in den Keller geräumt, hole sie nur mehr zum Herzeigen heraus."

Höhere Aufgaben

Dazwischen hat er eine Ausbildung zum Fahrlehrer absolviert und ist einige Snowboard-Contests gefahren. Fliegt die Angst bei Freestyle-Events nicht mit? "Die Sprünge und Tricks sind wahrscheinlich gefährlicher. Das hat mit Skispringen aber nichts zu tun. Äpfel und Birnen kann man nicht vergleichen. Das bin halt ich."

Ein weiterer großer Konkurrent von Schlierenzauer, Morgenstern und Co. war übrigens ein gewisser Thomas Thurnbichler. Der Juniorenweltmeister fabrizierte beim Abschlussspringen der Vierschanzentournee 2002/03 in Bischofshofen als Vorspringer den ersten Doppelsprung der Skisprung-Geschichte: Er landete bei etwa 80 Metern, hob nochmals ab und nutzte den stärker gewordenen Aufwind, um noch 40 Meter weiter zu fliegen. Heute springt er im Weltcup mit der Helmkamera für den ORF, ist also quasi der Nachfolger von Andreas Goldberger.

Für Arthur Pauli geht die Reise nach zwei Jahren im Ausland zurück zum ÖSV. Anfang Juni wurde er als Kadertrainer im Stützpunkt Innsbruck präsentiert. Das ist auch eine Bestätigung seiner guten Arbeit in den Niederlanden. Dass im Spitzensport über mentale Druckstellen grundsätzlich Schweigen herrscht, wird sich nicht ändern. Seine Erfahrung als Trainer wird er aber weitergeben. "Mein Sturz hat mich für mein Leben geprägt. Ein schwerer Autounfall prägt einen ganz jungen Menschen ja auch. Meine ÖSV-Trainer haben mir damals sehr geholfen, ich weiß nicht, wie ich mit mir umgegangen wäre. Es war aber niemand böse auf mich." (Florian Vetter, derStandard.at, 13.6.2013)