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Mohammed Morsi habe sich vor allem um seine eigene Macht gekümmert und die schwelende Wirtschaftskrise im Land vernachlässigt, werfen ihm auch viele ehemalige Anhänger vor. Nur 35 Prozent der Ägypter sind nach einem Jahr der Amtsführung mit dem ägyptischen Präsidenten zufrieden, ergab eine Umfrage vor wenigen Tagen.

Foto: AP/ Eraldo Peres

In der Woche vor dem Jahrestag am 30. Juni herrscht Wut über seine schlechte Regierungsführung und Angst vor gewalttätigen Demonstrationen.

Eine endlose Autoschlange vor einer Tankstelle an einem belebten Platz im Zentrum Kairos sorgt für ein Verkehrschaos. Seit Wochen wiederholt sich diese Situation jeden Abend. Meist sind keine Polizisten da, um für Ordnung zu sorgen. Regelmäßig entzündet sich Streit zwischen entnervten Autofahrern, die bei schweißtreibenden Temperaturen stundenlang warten, um ihren Tank zu füllen. Nicht immer bleibt es bei Worten, oft sprechen die Fäuste. Diese Szenen sind täglich an vielen Orten in ganz Ägypten zu beobachten. Sie sind ein Spiegelbild der Stimmung und eines der Beispiele für die Wirtschaftskrise, die alle Ägypter und Ägypterinnen trifft.

Neben der Benzinknappheit sind es stundenlange Stromausfälle und Wassermangel, dazu steigende Preise, die für Unmut sorgen. Unter Mubarak sei alles besser gewesen, lamentiert Wahid, der zu diesen besseren Zeiten Touristen mit einer Limousine durchs Land chauffiert hat und sich jetzt als Taxifahrer über ­Wasser halten muss. "Was ist das für ein Land, in dem sich die Fahrer vor ihren Gästen und die Gäste vor dem Fahrer fürchten?" , empört er sich.

"Eine Gefahr für das Land"

Er arbeitet nur noch bis in die frühen Abendstunden und meidet einzelne Stadtbezirke. Für ihn ist das nur eine Bestätigung für seine Überzeugung, dass die Muslimbrüder eine Gefahr für das Land seien. Er hatte seine Stimme immer Kandidaten gegeben, die dem gestürzten Regime nahestanden.

Viele, die vor einem Jahr Mohammed Morsi ihre Stimme gegeben haben, weil sie einen Neuanfang wollten, ärgern sich nun: ­Revolutionsaktivisten, die damals schon widerwillig den Kandidaten der Muslimbrüder gewählt hatten, haben sich abgewandt. "Ich muss mich entschuldigen. Er hat uns nur enttäuscht, seine Macht zementiert, statt sich um die Wirtschaft zu kümmern" , sagt ein junger Ingenieur, inzwischen ehe­maliges Mitglied der Islamisten. Eine Untersuchung des regierungseigenen Meinungsforschungsin­stituts hat vor wenigen Tagen ergeben, dass nur 35 Prozent mit dem frei gewählten Präsidenten und dessen Regierung zufrieden sind.

15 Millionen wollen Rücktritt

Die Enttäuschten haben millionenfach die Unterschriftenbögen der Initiatoren von Tamarod – Rebellion – unterzeichnet. In der Metrostation des Tahrir-Platzes werden die Formulare einem jungen Aktivisten fast aus den Händen gerissen. Nur ein Passant faucht ihn an, er solle das lassen, geht aber gleich weiter. 15 Millionen Unterschriften, also mehr als die 13,2 Millionen Stimmen für Morsi, sollen bereits zusammengekommen sein. Tamarod wirft Morsi vor, er sei unfähig, das Land zu regieren, und solle deshalb zurücktreten. Für den Jahrestag ruft die Bewegung zu Märschen und Kundgebungen, etwa vor dem Präsidentenpalast in Kairo, auf. Die Initiatoren und die gesamte Opposition wollen eine zweite Welle der Revolution in Gang bringen.

Die Gegenseite hat am vergangenen Freitag mobilisiert, auch sie brachte mindestens hunderttausend Menschen auf die Straße. Aber auch Morsis Anhänger sind nicht von seinen Leistungen überzeugt. "Schuld sind seine Gegner, die ihn nicht arbeiten lassen, und die Polizei, die seine Anstrengungen hintertreibt" , verteidigt eine Lehrerin den Präsidenten. In den Tagen vor dem Jubiläum herrscht in Kairo vor allem Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen. Beide Seiten werfen einander vor, Gewalt schüren zu wollen. Man werde bis zum letzten Blutstropfen für den gewählten Präsidenten kämpfen, wer gegen ihn demonstriere, sei ein Ungläubiger, hallte es am Freitag von der Rednertribüne der Islamisten. Banken bringen ihr Geld in Sicherheit, Hausfrauen decken sich mit Lebensmitteln ein. Viele Firmen und Geschäfte werden geschlossen bleiben. Polizei und Krankenhäuser schmieden Notfallpläne. Ein Feiertag wird Morsis Einjahr-Jubiläum auf jeden Fall nicht. (Astrid Frefel aus Kairo /DER STANDARD, 24.6.2013)

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