Meines ist die Pflicht, die Macht gehört euch", sagte der künftige Premierminister Edi Rama nach seinem überragenden Wahlsieg und versuchte damit die Sorge zu zerstreuen, er könne die neue Machtposition, ähnlich wie sein Vorgänger Sali Berisha, dazu nützen, dass sich seine Partei, den Staat unter den Nagel reißt.

Der 48-jährige Sozialist Rama hat lange Zeit um die Macht gekämpft, und in Albanien ist man dabei weder in der Wortwahl gegenüber politischen Gegnern noch bei der Auswahl der Mittel zimperlich. Nachdem er 2009 die Wahlen verloren hatte, weigerte er sich, das Ergebnis anzuerkennen, seine Partei boykottierte eineinhalb Jahre lang die Parlamentsarbeit, und auch die lauter werdenden Zurufe von EU-Politikern, er möge doch einlenken, halfen wenig.

Ein südosteuropäischer Parteichef, mag er auch ein Künstler wie Rama sein, weiß, worauf es ankommt: Wer Macht sichern will, muss seine Partei in den Institutionen verankern, damit die Bürger einen Grund haben, die Partei auch zu wählen, um Jobs zu bekommen. Und er darf keine Kompromissbereitschaft zeigen. Abgesehen davon hat die Feindschaft zu Berisha eine lange Geschichte. Rama, der in den 1990er-Jahren nach Paris gegangen war, prangerte bereits von dort aus die Politik Berishas an. 1998 kam er zurück und wurde Kulturminister. Von 2000 bis 2011 ließ er als Bürgermeister von Tirana die Baracken von den Grünflächen entfernen und die grauen Plattenbauten anfärbeln, was der Stadt mediterranen Charme verleiht.

Allerdings geriet Rama auch während dieser Zeit in die Abhängigkeit von Leuten, die die Partei fütterten: In den vergangenen Jahren waren dies vor allem Baufirmen, die die öffentlichen Aufträge bekamen. In Tirana wuchsen Türme, etwa für Banken.

In diesen Tagen sind viele Albaner froh, dass es trotz des Stimmenkaufs möglich ist, durch Wahlen einen Wechsel herbeizuführen. Ramas Sozialisten wurden mit einer umfassenden Macht ausgestattet: Mit 84 von 140 Parlamentssitzen können sie praktisch jedes Gesetz verändern. "Das souveräne Volk hat die Karte Albaniens purpur eingefärbt, um uns die historische Möglichkeit zu geben, zu zeigen, dass wir dieses Land von der Vergangenheit lösen können", huldigte Rama, der persönlich als unberechenbar gilt, der Farbe seiner Partei. Eine vernünftige Wirtschaftsstrategie und den ernsthaften Willen, Rechtsstaatlichkeit einzuführen, hat er allerdings im Wahlkampf nicht geboten. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 28.6.2013)