Witz kennt keine Grenzen: Blixa Bargeld und Teho Teardo entdecken den Humor.

Foto: T. Rabsch

Die Einstürzenden Neubauten befinden sich wieder einmal in einer längeren Ruhephase. Jeder, der die Berliner Avantgardeinstitution zuletzt live bei durchwachsenen Konzerten zwischen professioneller Pflichterfüllung und kaum verhohlener Langeweile erlebte, kann das nur begrüßen. Sänger Blixa Bargeld hat also derzeit freie Kapazitäten. Diese nutzte er in der Vergangenheit unter anderem für ein gourmetliterarisches zweites Standbein mit dem Reisebuch Europa kreuzweise. Eine Litanei, eine Regiearbeit bei den Salzburger Festspielen (Warten auf die Barbaren) oder merkwürdig zwischen heiterer Wissenschaft und Loop-Experimenten mit menschlicher Stimme angesiedelte Soloperformances. Aktuell wird man diesbezüglich auf Youtube mit den Stichwörtern "Blixa Bargeld live in St. Petersburg" fündig.

Nach seinen Gesangsbeiträgen für das späte, im Vorjahr erschienene Projekt mit der britischen Industrialband Throbbing Gristle, das ursprünglich aus 1970 stammende Album Desertshore der deutschen Sängerin Nico (Velvet Underground) neu einzuspielen, liegt nun auch ein neues eigenes Album vor.

Das Duoprojekt mit dem italienischen Komponisten Teho Teardo datiert aus einer gemeinsamen Arbeit für das Theaterprojekt "Ingiuria" im Jahr 2009. Das jetzt erschienene Album Still Smiling entstand während der letzten zwei Jahre in Studios in Rom und Berlin. Mit Gästen wie dem Balanescu Quartet entwirft darauf Multiinstrumentalist Teho Teardo zwischen zurückhaltender Kammermusik, unterschwellig-drohender Soundtrackästhetik im Geiste David Lynchs und selbstverständlich dem einen oder anderen Schlenker Richtung Ennio Morricone eine atmosphärische Musik, die kaum auf Ereignisballung setzt, dank Bargelds zwischen italienischer, deutscher und englischer Sprache wechselnder Performance aber dennoch zu einem intensiven Erlebnis wird.

Bargeld befindet sich nicht nur in einer ungemein nuancierten stimmlichen Phase, in der zwischen Kasernenton und Megafongeplärre längst auch zärtliches Sprechgesangsgurren sowie klanglich abwechslungsreiches Kreischen möglich ist. Auch textlich ist Bargeld in (ungewohnt) selbstironischer Hochform. Das Stück Defenestrazioni gibt nach Europa kreuzweise weitere Einblicke in ein niederschmetternd langweiliges Tourneeleben eines alten Zirkusgauls zwischen kurzfristiger Bühneneuphorie, enervierenden Interviews in Hotelbars und den kleinen Tragödien im Leben, die die ganze Sache so kräftezehrend machen:

"Träge der Ablauf. Taxi, Flugzeug, Taxi. Hotel. Die Minibar ist traurig bis albern. Schokoriegel, schlechter Wein. Room Service oder Masturbation? Nichts eröffnet Perspektiven." (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 26.7.2013)