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Kroatien öffnet die neue EU-Grenze. Nun will das Land den Nachbarn in die EU helfen.

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Nachbarn sind bekanntlich Zeitgenossen, die über uns mehr wissen als wir selbst. Umso mehr gilt das für Nachbarn, die jahrzehntelang im gleichen Staat gelebt, die gleiche Musik gehört, dieselben Schokoladen gegessen und einander aufrichtig gehasst haben. Warum also sollte man sich nicht zusammensetzen und Probleme besprechen, wo doch diese so ähnlich sind?

Der kroatische Präsident Ivo Josipovic hat mit seinem slowenischen Amtskollegen Borut Pahor eine neue Regionalinitiative ins Leben gerufen. Dabei sind alle sieben Staaten, die aus Jugoslawien hervorgegangen sind, und Albanien. Das Forum wird in der Region scherzhaft die "G-8 des Balkans" genannt. Das erste Treffen fand bereits am 1. Juli nach den Feierlichkeiten zum EU-Beitritt Kroatiens in Zagreb statt. Diesmal trifft man sich schon ein bisschen länger und ein bisschen absichtlicher im slowenischen Brdo - ein guter Ort, um "Jugosphäre" aufleben zu lassen: Das Schloss war eine Residenz von Tito.

Zeichen für neues Klima

Allein die Tatsache, dass Slowenien und Kroatien gemeinsam eine Initiative anführen, ist ein Zeichen für ein neues Klima und dafür, dass diese beiden Nachbarn nun wissen, wie man mit den Lasten der Vergangenheit umgeht. Diese Erfahrung will man teilen. Das neue Forum soll denn auch eine Art Selbsthilfegruppe sein, in der man in die Zukunft schaut und erkundet, wie man mit Krankheiten wie dem Ethno-Nationalismus umgeht und sich zu EU-Standards vorkämpft.

"Die Idee ist zu zeigen, dass wir es ernst meinen mit einer weiteren Europäisierung in Ex-Jugoslawien und Albanien", sagt der Berater von Josipovic, Dejan Jovic, zum STANDARD. Inhaltlich geht es um Sicherheitsfragen, Wandel zum Frieden, Wirtschaftskooperation und freizügigen Personenverkehr. Slowenien und Kroatien wollen sich aber nicht als überlegene Advokaten der anderen Staaten verstanden wissen. "Wir behaupten nicht, dass wir eine Lösung haben, aber wir verstehen die Probleme", sagt der Politologe.

"Forum des guten Willens"

Die "regionale Acht" solle anlassbezogen, aber auch als fixe Institution etwa zweimal im Jahr stattfinden. "Es ist ein Forum des guten Willens", so Jovic. Man wolle Optimismus verbreiten. Eingeladen ist jeweils auch ein Vertreter eines alten EU-Mitglieds, diesmal ist es der französische Präsident François Hollande, ein Sozialdemokrat wie Josipovic und Pahor. Man will innerhalb eines europäischen Rahmens agieren und wird dabei auch von Paris und Berlin unterstützt. Jovic weist darauf hin, wie schwierig es ohnehin sei, überhaupt alle an einen Tisch zu bekommen.

Tatsächlich ist erst Ende Mai in Mazedonien ein Balkan-Gipfel gescheitert, weil auf Initiative Serbiens die kosovarische Präsidentin Atifete Jahjaga nicht eingeladen wurde. In Brdo ist sie nun willkommen. Pahor lobte bereits den serbischen Präsidenten Tomsilav Nikolic für dessen neue Kompromissfähigkeit. "Er hatte den Mut, das zu tun, wofür mein Freund Tadic nicht die Kühnheit hatte, es zu tun", sprach er das historische Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo vom April an. Serbiens kooperativere Haltung gilt als Backpulver für das Friede-Freude-Eierkuchen-Gefühl in der Region. Auch die Beziehungen zu Kroatien können seither besser gedeihen. Im Oktober ist ein Treffen zwischen Nikolic und Josipovic geplant. Auch die Rücknahme der wechselseitigen Völkermordklagen ist absehbar. Serbien hat Kroatien nun zudem 8800 Militär-Luftbildaufnahmen aus dem Jahr 1968 zur Verfügung gestellt, damit Gebäude, die davor gebaut wurden, legalisiert werden können.

Harmonisierung vorantreiben

Eine Kroatin, die Serbien auf dem Weg in die EU helfen will, ist wiederum Ex-Vize-Wirtschaftsministerin Tamara Obradovic Mazal, die die nächsten zweieinhalb Jahre für ein von der EU bezahltes Projekt in Belgrad arbeiten wird. Es gehe um die Harmonisierung des serbischen Rechts mit dem EU-Recht. "Ich mache ziemlich das Gleiche, was ich auch in Kroatien gemacht habe", sagt sie. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 25.7.2013)