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Wo im Jahr 2008 russische Soldaten gegen Truppen aus Georgien kämpften, ist auch 2013 keine Lösung in Sicht.

Foto: REUTERS/David Mdzinarishvili

Ein neuer Grenzzaun droht nun Dorfbewohner von Gräbern ihrer Ahnen zu trennen.

Foto: Tatjana Montik
Foto: Tatjana Montik

Die georgische Dorfbewohnerin Tamriko Berulaschwili gesteht, dass sie sich auch fünf Jahre nach dem Ende des Krieges gegen Russland in ihrem Haus im Ort Ditsi, nur 300 Meter von der Grenze zur "Republik Südossetien" entfernt, genauso unsicher fühlt wie früher. Das Nachbarland wird nur von wenigen Staaten anerkannt, Georgien sieht das Gebiet als Teil seines Territoriums. Nebenan wird von der südossetischen Seite gerade ein Grenzzaun gebaut, von dem Georgien sagt, er sei deutlich von der wirklichen Grenze entfernt.

"Natürlich kommen die Russen nicht einfach zu uns herüber", sagt die 38-Jährige. "Aber jedes Mal, wenn ich sie aus der Nähe sehe, denke ich an die Kriegstage zurück, und es wird mir angst und bange". Tamrikos Sorge ist verständlich, wenn man die Nähe der neuen Überwachungstürme in Betracht zieht, von denen aus die russischen Soldaten ihr Haus samt Garten und den anliegenden Bienenstöcken perfekt überschauen können.

Zusammen mit zehn weiteren Dörfern der Region ist das Dorf Ditsi das Sorgenkind der georgischen Regierung sowie der internationalen Beobachtermission EUMM (European Union Monitoring Mission), an der auch Österreich mit einem kleinen Kontingent beteiligt ist. Seit Beginn des laufenden Jahres verzeichnen die Beobachter eine Belebung der Aktivitäten auf der südossetischen Seite des Grenzgebiets.

Dorf von Friedhof getrennt

Auf dem Weg, der von Tamrikos Garten zur Grenze führt, liegt ein kleiner Dorffriedhof - am Fuß der ossetischen Berge, verloren auf den fruchtbaren Feldern, die seit 2008 nicht mehr bestellt werden. Wenn Südossetien den Zaun entlang dieses Weges ziehen sollte, wird Ditsi von seinen Gräbern abgetrennt - eine Tatsache, die im Juni für heftige Proteste der Dorfbewohner sorgte. Das Dorf Ditsi gilt als Symbol dafür, dass der Verlauf der Administrativgrenze (ABL) von der südossetischen Seite oft willkürlich gedeutet und Georgiern nicht selten ihr Land weggenommen wird. Nach den Protesten wurden die Bauaktivitäten, zumindest an dieser Seite des Zauns, wieder eingestellt. Derweil schreiten am anderen Ende von Ditsi die Arbeiten weiter voran.

Drei Männer, überwacht von einem Soldaten, errichten indes neue Zaunstücke. Das sogenannte ABL-Team der EUMM-Beobachter hat errechnet, dass jeden Tag bis zu 250 Meter neuen Zaunes entstehen. Das Team patrouilliert Tag und Nacht im Grenzgebiet und hält alle Veränderungen fest. Seit Anfang 2013 mehren sich laut EUMM jene Aktionen, die Menschen auf beiden Seiten des Zaunes in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken.

Zu illegalen Grenzübertritten kommt es etwa dann, wenn alte Menschen aus Südossetien nach Georgien kommen, um dort ihre Pensionen abzuholen. Im Ort Churwaleti wird das oft zu einem Problem. Seit dem Blitz-Krieg im August 2008 ist das Dorf nicht nur heruntergekommen, sondern auch in zwei Teile geteilt: Der Stacheldrahtzaun verläuft mitten durch die Siedlung. Auch einen russischen Wachturm gibt es. Er setzt der Hauptstraße ein abruptes Ende; weiter geht es nur noch zu Fuß. Auf georgischer Seite haben Polizisten Befestigungen aus alten Autoreifen aufgetürmt - als Schutz gegen russische Panzer.

Seit dem Krieg 2008 weigert sich Tiflis, Vereinbarungen mit Südossetien zur Lösung der Probleme zu treffen. Georgien besteht nach wie vor auf seiner territorialen Integrität. In der EU werden indes jene Stimmen lauter, die das Land zur Realpolitik drängen.

Die neue Regierung des Milliardärs Bidsina Iwanischwili, die seit Herbst 2012 an der Macht ist, erklärte die Verbesserung der Beziehungen zu Russland zum Ziel. Iwanischwilis Slogan im Wahlkampf lautete: "Wir wollen mit Russland wieder in der Sprache der Diplomatie kommunizieren".

Davon, dass nach neuen Zugängen gesucht wird, zeugt die offizielle Reaktion auf die Bautätigkeiten an der Grenze: keine Panik und keine scharfen Töne, wie es sie früher sicher gegeben hätte.

Dennoch scheint es in der Regierung keine einheitliche Linie im Umgang mit Russland zu geben. Eine grundlegende Wende zeichnet sich bisher nicht ab. Ganz im Gegenteil: In der georgischen Gesellschaft, vor allem in der Konfliktzone, herrscht die Auffassung vor, die Situation habe sich noch verschlechtert.

An der Grenze zu Südossetien werden derweil weiter neue Türme mit Videokameras errichtet, neue Militärposten etabliert. Entlang der ABL gibt es schon 50 Grenzschilder mit der Aufschrift "Republik Südossetien" - auch wenn der Zaun, der sich mittlerweile über 27 Kilometer erstreckt, noch provisorisch aussieht. (Tatjana Montik aus Ditsi, DER STANDARD, 8.8.2013)