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Bob Dylan im Jahr 1971 mit George Harrison beim "Concert for Bangladesh". Studioaufnahmen wie "Working on a Guru", die Dylan gemeinsam mit dem Ex-Beatle im Studio eingespielt hat, finden sich auf "Another Self Portrait".

Foto: AP

"Another Self Portrait" (Columbia/Sony), für das Dylan auch das Cover beigesteuert hat, erscheint am 23. August als Doppel-CD und 3-LP-Box. Eine Deluxe-Variante mit 4 CDs enthält zudem Dylans vollständigen Auftritt mit The Band beim Isle of Wight Festival 1969 und eine neue remasterte Version des ursprünglichen Albums "Self Portrait" von 1970.

Cover: Columbia

Dass Bob Dylans 1970 veröffentlichtes Doppelalbum "Self Portrait" auch in unseren Breiten als berühmt-berüchtigt gilt, verdankt sich nicht nur Greil Marcus' legendärer Kritik für den "Rolling Stone", von der vor allem der Eröffnungssatz "What is this shit?" hängen blieb. So erfreute sich ausgerechnet der mit Chorgirls geträllerte Song "Wigwam" (Stichwort "na, na, na, na, na, naaa") in hiesigen Radioprogrammen lange hartnäckiger Beliebtheit, was wiederum auf den vermeintlichen "Protestsänger" eingeschworene Fans auf eine harte Probe stellte. 

In Interviews legte Dylan schon vor seiner Autobiografie "Chronicles" nahe, dass er mit dem vor allem aus Cover-Versionen bestehenden Album die ungeliebte Rolle des Sprachrohrs einer Generation ablegen wollte. Dass seine Hinwendung zu den Songs anderer auf wenig Gegenliebe stieß, hatte indessen nicht zuletzt mit den von Produzent Bob Johnston in Nashville mit Streichern und Background-Gesang überzuckerten Arrangements zu tun. Die zehnte Folge der Archivreihe "Bootleg Series", die am 23. August unter dem Titel "Another Self Portrait" in den Handel kommt, stellt dem ursprünglichen "Selbstporträt" mit Demos, Alternate Takes und Outtakes auf den Jahren 1969 bis 1971 eine spartanischere Alternativversion zur Seite. Und präsentiert gleichzeitig ein Kontinuum an Sessions, aus denen nicht nur die Stücke von "Self Portrait" hervorgingen, sondern auch Tracks für eine Greatest-Hits-Compilation und das Album "New Morning", das 1971 als Rückkehr des Songwriters gefeiert wurde.

Intime Trio-Versionen statt Nashville-Sirup

Statt auf Hochglanz polierter Nashville-Professionalismus dominiert auf "Another Self Portrait" intim-spontanes Musikantentum. Zu hören sind etwa Rohfassungen und Demos, die Dylan allein mit kongenialen Begleitern wie dem Keyboarder Al Kooper, der schon den Sound von "Like a Rolling Stone" mitprägte, und dem Multiinstrumentalisten David Bromberg in New York unter dem Vorwand ein neues Studio auszuprobieren, eingespielt hat. Unter den von Overdubs befreiten Songs befindet sich neben Songs wie "In Search of Little Sadie" auch ein entschlacktes "Wigwam".

Daneben sind es bisher unveröffentlichte Cover-Versionen wie die zärtliche Interpretation der englischen Ballade "Pretty Saro", für das auch ein Video mit historischen Fotos der Farm Security Administration im Netz verfügbar ist, die ins Gedächtnis rufen, dass Dylan auf seine Art nie süßer gesungen hat, als in jenen Jahren, in denen er sich vom Tourleben verabschiedet und in eine vergleichsweise private Existenz zurückgezogen hatte.

Am Ende von "Another Self Portrait" steht mit "When I Paint My Masterpiece" ein passend selbstreflexiver Song, der weitere Metamorphosen des ständigen "shape shifters" Dylan ankündigte. (Der Song wurde zuerst von The Band, mit der Dylan dann ins gleißende Licht der Rockarenen zurückkehren sollte, gecovert.) Die nun vorliegende revisionistische "Self Portrait"-Variante, für die Dylan auch erneut das Covergemälde beisteuert hat, kristallisiert aus einer bislang wenig geschätzten musikalischen Wurzelsuche kein definitives Meisterwerk, versammelt aber Rohdiamanten, die zu Dylans eindringlichsten und spannendsten Veröffentlichungen der letzten Jahre gehören. (Karl Gedlicka, derStandard.at, 19.8.2013)

Eine Auswahl von 15 Songs der "Bootleg Series Volume 10" gibt es hier zu hören: