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Wien erlebt das "erste Jahr ohne Lehrermangel", Oberösterreich hat Wartelisten, aber auch Lücken in einzelnen Fächern.

Foto: dpa/Karmann
Grafik: Der Standard
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Niemand soll später sagen können, er oder sie habe nicht gewusst, worauf er oder sie sich eingelassen hat, als es ausgerechnet "Lehrer" beziehungsweise "Lehrerin" sein sollte als Beruf: Fritz Enzenhofer, der Präsident des Landesschulrats von Oberösterreich, wird auch heuer wieder in die Erstsemestrigenklassen der zwei Pädagogischen Hochschulen (PH) in Oberösterreich und jener im benachbarten Salzburg gehen und dort den tatendurstigen, hoffnungsvollen Junglehrern reinen Wein einschenken: "Ich werde sie informieren, wie die Beschäftigungsaussichten sind, wie viele Lehrer auf der Warteliste stehen, wie viel sie verdienen", erzählt er im STANDARD-Gespräch.

Warten am "falschen" Ort

Wartelisten? Gibt es die noch immer? Wo doch pünktlich zum Schulbeginn auch heuer wieder die Rede vom "Lehrermangel" ist. Nun, es ist ein paradoxes Phänomen. Denn es gibt beides. Zu viele Lehrer und zu wenige. Die Frage ist immer, wo. Das Problem, dass sie sich meist an unterschiedlichen Orten aufhalten.

Aber: Vom Mangel an Lehrern wird am Ende, also am Beginn des neuen Schuljahrs, de facto nichts mehr zu sehen sein, beruhigt nicht nur Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Auch Enzenhofer, der Sprecher der ÖVP-Landesschulratspräsidenten, aber auch die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ), die sich "nach zwei, drei Jahren mit drastischem Mangel im Pflichtschulbereich über das erste Jahr ohne Lehrermangel" freut und sogar "einen leichten Überhang" hat, wie sie zum STANDARD sagte, geben Entwarnung und sind gewappnet für den Schulanfang.

Ausgehend von rund 115.000 Lehrerinnen und Lehrern in Österreich - das entspricht ungefähr der weltweiten Mitarbeiterzahl von Voest und Strabag zusammen - gibt es laut Ministerin Probleme "im dreistelligen Bereich" - so vage, weil die genaue Schülerzahl, und somit die Zahl der benötigten Lehrer, erst kommende Woche nach den Nachprüfungen fix ist.

In Oberösterreich stellt sich die Situation so dar, dass es "in bestimmten Gegenständen, speziell im naturwissenschaftlichen Bereich, ganz deutlich etwa in Physik und Chemie" Defizite gibt, berichtet Enzenhofer, aber: "Ja, es wäre besser, wenn wir mehr Lehrer hätten, aber es ist nicht so, dass wir nicht unterrichten können." Der Volksschulbereich sei "sicher abgedeckt", in höheren Schulen werden 20 Studierende, die mit dem Studium de facto fertig sind, aber das Praktikum noch nicht gemacht haben, vor einer Schulklasse stehen - mit dem Handicap, "dass sie in der Ausbildung im allgemeinbildenden höheren Bereich erst am Ende des Studiums mit der Realität konfrontiert werden", bedauert Enzenhofer. Er dringt daher darauf, dass dieser Reality-Check in der Ausbildung früher kommt. In Wien, wo 22.800 Lehrer unterrichten, wird Brand-steidl 141 solcher Lehrer ohne Lehramtsprüfung einsetzen.

Fünf oberösterreichische Lehrer - insgesamt unterrichten in diesem Bundesland 20.000 Pädagogen - könnten eigentlich schon ihren Ruhestand genießen, die Pensionisten werden aber weiter aushelfen. Acht künftige Lehrer haben zwar ein Uni-Diplom, aber nicht ein Lehramtsstudium.

Und wer hängt, nachdem 270 Lehrer heuer bereits neu angestellt wurden, noch in der Linzer Warteschleife? An die 900 Lehrer. Warum? Viele arbeiten in der Zwischenzeit in anderen Jobs, vielleicht passte keine der ausgeschriebenen Stellen zu ihrem aktuellen Lebensplan, und für ein (laut altem Dienstrecht) Nettoeinstiegsgehalt von 1450 Euro für Pflichtschullehrer "sind viele nicht mobil", erklärt Enzenhofer.

Was auf dem Papier wie ein Nullsummenspiel aussieht, ist real also nicht so einfach zu lösen. Solch ein regionales Ungleichgewicht gibt es laut Ministerium zum Beispiel zwischen Wien-Umgebung beziehungsweise Gänserndorf mit zu wenig Lehrerbewerbungen und dem Waldviertel mit zu vielen.

Wer wo fehlt

Laut Meldungen an das Ministerium gibt es im Bundesschulbereich (höhere Schulen) entweder eine Gleichheit von Bewerbungen und offenen Stellen bzw. meist ein Überangebot: "Allerdings ist es offenbar schwierig, dieses mit der regionalen Streuung der Arbeitsplätze in Übereinstimmung zu bringen", heißt es. Insgesamt gab es an Bundesschulen rund 3300 Lehrerbewerbungen zu viel.

Ein ministerieller Rundruf bei den Präsidenten der Landesschulräte, die für die Stellenpläne in ihren Bundesländern zuständig sind, ergab laut STANDARD-Infos folgendes Mangel-Mosaik: In Vorarlberg fehlen in Bundesschulen - wenn man alle Bewerber berücksichtigt, die alle Anstellungserfordernisse erfüllen, also vollgeprüfte Lehrerinnen und Lehrerin sind - ein Turnlehrer, je drei Fachtheoretiker (zum Beispiel Maschinenbauer), Formalwissenschafter (zum Beispiel mit Abschluss in theoretischer Informatik) und künstlerische Gestalter plus je fünf Mathematiker und Naturwissenschafter und zwei Religionslehrer. Durch "Überangebote" in anderen Gegenständen, etwa zwölf Geisteswissenschafter, bleibt dort unterm Strich ein Mangel von einem Bundeslehrer.

Bei den Landeslehrern (Volks-. Haupt-, Neue Mittel-, Sonder-, Polytechnische Schule) gibt es im Kärntner Minderheitenschulwesen (vor allem Volksschulen) ein Defizit (48) bei den geprüften zweisprachigen Pädagogen, ansonsten aber in allen Bundesländern insgesamt mehr Bewerbungen als offene Stellen. 40 fehlende Neue-Mittelschul-Lehrer in Vorarlberg sollen per Werbekampagne ins Ländle gelockt werden.

Da die Schule aber nicht nur heuer Lehrerinnen und Lehrer braucht, sondern auch nächstes und übernächstes Jahr und so weiter, rät Fritz Enzenhofer trotz aller Entwarnungen jetzt, insgesamt etwas pfleglicher mit den Pädagoginnen und Pädagogen umzugehen: "Wenn Lehrer von der allgemeinen Tendenz her permanent zu Sündenböcken der Nation gemacht werden, kriegen wir ein Problem." (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 30.8.2013)