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Foto: maria ziegelböck

Das Leben hat die meisten ziemlich fest in der Mangel, und all jene, die von früh bis spät viel arbeiten und dann vielleicht auch noch feiern können, rühmen sich gerne, mit ganz wenig Schlaf über die Runden zu kommen. Das stimmt auch, weil der menschliche Körper ziemlich anpassungsfähig ist.

Nur schön in einem ursächlich optischen Sinne macht die tägliche Überforderung nicht. Für alle, die das nicht glauben wollen, haben schwedische Neurowissenschafter am Karolinska-Institut in Stockholm eine Studie gemacht und ließen 23 Testpersonen im Alter zwischen 19 und 31 Jahren einmal sieben Stunden, beim nächsten Mal nur fünf Stunden schlafen.

Attraktiv und ausgeschlafen

Nach jedem Durchgang wurden Fotos gemacht - ungeschminkt, mit offenen Haaren und entspanntem Gesichtsausdruck. Die Bilder wurden im Anschluss von 65 Beobachtern bewertet. Das Ergebnis war eindeutig und wurde im renommierten British Medical Journal publiziert: Ausgeschlafene Menschen wirken wesentlich attraktiver. Und Lügen gestraft sind Feldherren wie Napoleon, der mit Sätzen wie "Vier Stunden schlafen Männer, fünf Stunden schlafen Frauen und sechs Stunden schlafen Idioten" die Menschheit in die Irre geführt hat.

"Wir kennen 90 Erkrankungen, die auf Störungen von Schlaf und Wachsein zurückgehen", sagt der Innsbrucker Schlafmediziner Jörg Duftner und erklärt auch, warum. Immer wenn das Bewusstsein Schritt für Schritt abgeschaltet wird, fahren nämlich die inneren Regenerationsprozesse im Körper hoch. Das geschieht nach einem genau ausgeklügelten Plan. Alle 90 Minuten durchläuft der Mensch Schlafphasen: Einschlafen, Tiefschlaf REM-Phase, die durch intensive Träume und Augenrollen (Rapid Eye Movement) gekennzeichnet ist. Vor allem Stoffwechsel und Immunsystem brauchen die Tiefschlafphasen, in denen Hormone gebildet werden.

Reparieren

Das Wachstumshormon Somatropin zum Beispiel, das Knochen, Muskulatur und Bindegewebe sich ständig erneuern lässt, oder die Appetit regelnden Hormone Ghrelin und Leptin. Wer nachts zu wenig Leptin bildet, hat tagsüber Heißhungerattacken. "Schlafmangel macht krank, dumm und dick", bringt es der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley seit Jahren recht drastisch auf den Punkt.

Auch die Haut durchläuft die nächtliche Rundumerneuerung. Die Schäden, die tagsüber durch das UV-Licht in den Zellen tief bis in die untersten Schichten entstehen, werden repariert, und Wunden heilen, weil die körpereigene Regeneration auf Hochtouren arbeitet. Die Hautzellen verlieren dabei weniger Wasser, werden besser mit Nährstoffen versorgt, auch die Durchblutung agiert hochaktiv.

Schlafentzug hingegen verursacht Reaktionen, die Mikroentzündungen ähneln und das Immunsystem ganz besonders fordern. Das alles sind Gründe, warum im Auge des Betrachters der Teint fahl, trocken und knittrig wirkt - die schlechte Durchblutung lässt dabei zusätzlich auch noch die Augenringe dünkler werden. Jeder hat diese Phänomen an sich selbst auch schon beobachtet.

Mit acht Stunden zum Strahleteint

Die gute Nachricht: Weil die Talgproduktion nachts gedrosselt wird und der pH-Wert im Schlaf auf den Tiefpunkt sinkt, dürfen Nachtcremen durchaus auch reichhaltiger sein. Fantastisch daran ist, dass mit abnehmendem Licht allfällige Wirkstoffe ganz besonders gut in die Haut eindringen können. Die Produktentwickler der Kosmetikindustrie sehen hier ihre Chance und schicken die Wirkstoffe in Rennen.

Ganz im Sinne der Reichhaltigkeit hat Biotherm gerade eine vollkommen neuartige Textur als Serum-in-Öl präsentiert. Wer sich die cremige Schlafmaske von La Prairie aufträgt, tut das mit einem Pinsel - das wirkt recht beruhigend. Auch Chanel hat seine neue Serie ins Zeichen der Chronobiologie gestellt und ein bisschen Weihrauch zur Beruhigung in die Nachtcreme gemischt.

Yves Saint Laurent wiederum empfiehlt, sein Serum-en-crème als Gesichtsmassage aufzutragen. Wer gut eingecremt ins Bett geht und dann auf acht Stunden Auszeit pro Nacht kommt, hat gute Chancen auf frisches Aussehen am nächsten Tag. Denn es gibt ihn, den Schönheitsschlaf, er ist Anti-Aging und gratis noch dazu. (Karin Pollack, Rondo, DER STANDARD, 6.9.2013)