Endlich wieder zu haben: Der Gesang von Honey Ltd., der den ewigen Sonnenschein Kaliforniens in sich trägt.

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Schon der Meister war eine harte Nuss. Um aller Alben Lee Hazlewoods habhaft zu werden, musste weit gereist und das Internet erfunden werden. Selbst dann noch zierten sich einige seiner Spätwerke wie kapriziöse Jungfrauen. Aber das war alles nichts im Vergleich zu Honey Ltd. Während diese Besprechung entsteht, wird das Album um 2200 Dollar im Netz zum Kauf angeboten. Kein Witz. Okay, es handelt sich dabei um die vor 45 Jahren erschienene Originalausgabe und nicht um die nun endlich erfolgte Wiederveröffentlichung dieses Albums, das als ein Meisterwerk des Sixties-Folk gilt.

Begonnen hat die Geschichte von Laura Polkinghome, Marsha Jo Temmer und den Schwestern Alexandra und Joan Sliwin in Detroit. Dort prägte sie eine musikalische Nachbarschaft und die Aufbruchsstimmung der 1960er-Jahre. Nach ersten Gehversuchen als The Mama Cats verließen die vier Sirenen ihre Heimatstadt in Richtung Los Angeles, wo sie einem kleinen Mann mit großem Schnauz in die Arme liefen: Lee Hazlewood. Der zählte damals gerade das Geld, das er mit Nancy Sinatra verdient hatte - als deren Produzent und als ihr Duettpartner. Wurde er des Zählens müde - es war richtig viel Geld! -, produzierte er für sein eigenes Label schräge Bands wie Kitchen Sinq oder die legendäre International Submarine Band, bei der ein gewisser Gram Parsons erstmals auffällig wurde. Er gilt als Erfinder des Country-Rock.

Die vier Girls kamen bekifft zum ersten Treffen mit Hazlewood, doch ihr engelsgleicher Gesang zeitigte selbst noch unter Nebel seine Wirkung. Hazlewood bot an, die vier zu veröffentlichen. Zu diesem Behufe taufte er sie um, in Honey Ltd., trommelte jene Studiomusikerelite zusammen, die als Wrecking Crew den Pophimmel eroberte, und drückte auf "Record". Immer schon ein Mann der Ökonomie, reichten Hazlewood acht Songs, um die Aufnahmen zum Album zu erklären. Es entstanden noch zwei Singles, aber das war's dann. Trotz betörender Qualität war Honey Ltd. ein nur moderater Erfolg beschieden, denn der Versuch Hazlewoods, diese als der wild wuchernden Gegenkultur zugetane Wesen nach Las Vegas zu verkaufen, wo sie in den Kasinos auftreten sollten, musste zwangsweise scheitern.

Dazu kamen die individuellen Engagements einzelner Damenherzen, und bald waren Honey Ltd. zwar zum Teil verheiratet, aber auch schon wieder Geschichte - und wuchsen über die Jahre zum Mythos. Ihr Album war bis jetzt kaum auffindbar und wenn, dann nur unter beträchtlichem monetärem Aderlass erhältlich. Doch nun wurde es wieder aufgelegt, aufgefettet um zwei Singles und vier bisher nicht veröffentlichte Songs. Warum auf das Originalcover verzichtet wurde, weiß man nicht, stattdessen durfte jemand mit dem Photoshop spielen und aus dem Quartett ein Quintett murksen.

Dessen ungeachtet bezirzen Honey Ltd. mit einem Harmoniegesang, der den ewigen Sonnenschein Kaliforniens in sich trägt - wiewohl Songs wie The Warrior vom Schatten des Vietnamkriegs verdunkelt werden. Schöner als hier wurde nie über Silk 'n Honey gesungen, ihre verschlurfte Deutung von Louie Louie ist ebenfalls Gold: die Keyboards beseelt, die Gitarre besoffen, der Beat sexy, die Hörner am Rande der Ekstase, die Stimmen küssen den Himmel. Der gute Rest steht auf einer Stufe mit anderen Großmeistern des Fachs, den Mamas & The Papas oder den australischen Seekers. Auch Dusty in Memphis von Madame Springfield liegt im Referenzgebiet.

Nach dem baldigen Ende dieses musikalischen Glücksfalls machten alle vier Honigladys verschiedene, bis heute anhaltende Karrieren im Musikgeschäft, drei davon veröffentlichten 1970 unter dem Namen Eve das zumindest gleichwertige Album Take it and Smile. Neben der dafür wieder bemühten Wrecking Crew bewegt dafür auch Ry Cooder sein Goldhändchen über die Saiten. Noch so ein Meisterwerk und selbst im Original noch wohlfeil. (Karl Fluch, Rondo, DER STANDARD, 6.9.2013)