Rim Subhi: Drunk by Tears

Foto: Reem Alkaisy

Rim Subhi: Scream

Foto: Reem Alkaisy

"Ich fand immer, Gott hat den besten Job": Rim Subhi, von ihren österreichischen Bekannten Rimi genannt, wollte schon als kleines Kind schaffen und erschaffen. Bevor sie im Mai 2012 nach Österreich floh, war sie eine engagierte Architekturstudentin in Bagdad. Bereits als Jugendliche hatte sie von ihrem Onkel den Tipp erhalten, Architektur zu studieren – so komme sie dem Traum von Schöpfung vielleicht etwas näher.

Die junge Bagdaderin wurde schnell aktiv in der lokalen Studentenvertretung. Neben dem Studium malte Alkaisy und organisierte Ausstellungen, Festivals und Treffen für junge Künstler und Künstlerinnen. Bald wurde sie eine zentrale Figur der Kunstszene in der irakischen Hauptstadt. Doch: "Zu berühmt zu werden ist gefährlich."

Gefährlicher Feminismus

"Die Burschen haben mich nie gemocht, weil ich mich für Frauenrechte einsetzte", sagt Subhi. Für viele ihrer Kunstwerke, die sich mit der Rolle der Frau im Irak beschäftigten, wurde sie stark kritisiert. "98 Prozent der Männer im Irak sind so engstirnig und respektlos Frauen gegenüber." Für solche Aussagen wurde Subhi öffentlich gedemütigt, man drohte ihr regelmäßig Gewalt an. Nach einer Entführung, über die Subhi nicht sprechen möchte, um sich die Ereignisse nicht wieder vor Augen führen zu müssen, war klar: Sie konnte nicht mehr im Irak bleiben.

Von der Türkei aus wurde Subhi in Lastwägen nach Österreich gebracht. Sieben, acht Tage ohne richtige Verpflegung, ohne Tageslicht. In Österreich angekommen wurde sie nachts im Mai 2012 plötzlich ausgesetzt, ohne Informationen, ohne Plan, ohne eine Ahnung, wo sie sich überhaupt befindet. Ein Passant, der zufällig Arabisch sprach, verwies sie auf das Aufnahmezentrum Traiskirchen. Dort angekommen fiel sie erst einmal vor Erschöpfung in Ohnmacht.

Nachvollziehbare Verfolgung

Die erste Zeit im Flüchtlingslager verbrachte Subhi wie in Trance. Sie schlief viel, ihr Körper wie im Standby-Modus. "Ich hatte Angst. Ich wusste nicht, was mit mir passieren würde, ich wusste nicht, ob ich mich vor den Behörden fürchten sollte. Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde." In dieser Zeit nahm Subhi 14 Kilogramm ab.

Sie kooperierte mit den österreichischen Behörden und erzählte diesen ihre gesamte Geschichte. Glücklicherweise konnte ihre Familie Subhi Dokumente und Beweismaterial schicken für das, was ihr passiert war. So wurde ihre Vergangenheit langsam für die Behörden nachvollziehbar und die politische Verfolgung glaubhaft. Nach sieben Monaten des Zusammensuchens von Puzzlestücken dann endlich der positive Bescheid: Subhi konnte in Österreich bleiben. "Zurückgehen zu müssen war mein größter Albtraum", meint sie. Was sie getan hätte, wenn ihr Asylbescheid negativ gewesen wäre? "Ich weiß es nicht. Wenn ich mich umbringe, gewinnen ja die Bösen."

Keine Wohnung für Flüchtlinge

Einen sicheren Hafen – das dachte Subhi jedenfalls zunächst – fand sie nach langer und anstrengender Wohnungssuche in einer Wohngemeinschaft im dritten Wiener Gemeindebezirk. Freundliche Mitbewohner, ein geräumiges Zimmer für sie alleine, endlich Ruhe. Doch sehr schnell sollte die österreichische Realität sie einholen: Bei einem Routinebesuch entdeckt die Dame von der Hausverwaltung Subhi Pass und fängt an, sie über ihre Herkunft auszufragen. Die Vermieterin, die zunächst kein Problem mit Subhi hatte, wird skeptisch: "Sie glaubte, Flüchtlinge würden nur Ärger bringen." Dann der Anruf: Subhi hatte zwei Tage Zeit auszuziehen – andernfalls würde die Vermieterin die Polizei rufen.

Mehr als Ungerechtigkeit

ظلم – als "zhulm" könnte man das Wort transkribieren – nennt Subhi diesen Vorfall auf Arabisch. Es ist ein Begriff, der stärker und härter ist als das deutsche "Ungerechtigkeit". Subhi war völlig rechtens in diese Wohnung eingezogen, es gab keinen Grund für den Hinauswurf – außer der rassistischen Einstellung der Hausverwaltung und der Vermieterin. Langsam bröckelte für Subhi die Fassade des "Hotels Mozart": Das Österreich, das ihre Eltern ihr so idyllisch beschrieben hatten und das sie wegen der Kultur und insbesondere der Musik so liebte, zeigte Subhi sein hässliches Innenleben.

Wasser und Öl

"Die Österreicher und die Hergekommenen sind wie Wasser und Öl. Sie können gemeinsam an einem Ort sein, sich aber nie mischen", sagt Subhi. Sie hat beobachtet, dass viele der Zugewanderten und auch andere Flüchtlinge wenige Freunde in Österreich haben. "Die Menschen haben nicht das Gefühl dazuzugehören." Die ersten Erfahrungen in Österreich waren für Subhi ein Moment des Erwachens: "Ich bin nicht einfach ein Mensch. Ich bin ein Flüchtling." (Olja Alvir, daStandard.at, 10.9.2013)