Der russische Geheimdienst setzt tatsächlich wieder auf Anschläge, Anschläge mit der Schreibmaschine. Etwa 200 pro Minute, alle mit herbem Metallklang, sollten gute Mitarbeiter hinkriegen. Deshalb hat der Föderale Schutzdienst, der auch Präsident Putin vor den Unbilden der Welt abschirmen soll, gerade erst zwanzig Schreibmaschinen und 500 Farbbänder bestellt. Besonders scharf seien die russischen Agenten auf das Modell "Twen 180" der deutschen Firma Triumph-Adler. Eine elektronische Maschine mit automatischem Papiereinzug, Express-Rücktaste und Standardbrief.
Der Hintergrund: Den Moskauer Sicherheitsleuten geht nicht etwa der Rubel aus, sie wollen künftig Geheimnisse lieber wieder abheften, statt sie zu speichern. Weil die Kollegen vom Klassenfeind - Stichwort NSA - offensichtlich Digitalkabel unter ihrer Kontrolle haben. Da pfeifen die Beschützer des Kreml auf das moderne elektronische Büro. Damit wären die russischen Spione potenzielle Mitglieder der wachsenden Typosphere, einer internationalen Gemeinde, die das Klack, Klackklack nicht als ein Geräusch von gestern versteht. Im digitalen Datennetz preisen sie die analoge Maschine aus vermeintlich längst vergangenen Tagen auf ihren Blogs. Und diskutieren über Kugelköpfe, Korrekturtasten und Typenhebel. In den Debatten der Typospherians, wie die Fans der Schreibinstrumente sich nennen, posten diese immer öfter auf mit der Maschine geschriebene und dann eingescannte Beiträge, sogenannte Typecasts.
Retrotech-Community
Die Retrotech-Community klackert nicht nur alleine zu Hause vor sich hin. Sie verabredet sich zu "Type-ins". Mit der Lieblingsschreibmaschine oder auch zweien tippen die Anhänger andächtig gemeinsam in Cafés oder Buchläden. Ende Juli dieses Jahres war der Haupteingang des Londoner Victoria and Albert Museum Treffpunkt der Tastengemeinde, die ihre Meetings wie beim Schreibmaschinenfest in Basel gerne "Freies Schreiben ohne Zeitlimit" nennen. Und sie lachen dabei über das nervige Verklemmen zweier Hebel, wenn diese gleichzeitig anschlagen.
Die Treffen sind meist auch eine Schau der eigenen Sammlung. "Meine Olympia, meine Olivetti, meine Optima." Es geht um das Oh und Ah und das tolle Design, wenn der Blick auf eine schwarz-grüne Wanderer Continental von 1911 fällt oder die Lettern einer dunkelblauen Smith Corona Galaxie II von 1968 oder einer bläulichen Remington von 1896 das Blatt berühren. Die Schreibmaschine feiert im allgemeinen "Früher war alles besser"-Trend ihr Comeback. Genau zehn Jahre nachdem sie aus dem Verbraucherpreisindex flog, in dem alle wichtigen Waren verzeichnet sind. Wer wirklich den ersten Apparat baute, der den Namen Schreibmaschine verdiente, darüber streiten sich Historiker. Einer der Schreibapparat-Pioniere war jedenfalls ein Peter Mitterhofer. Der Handwerker aus Partschins in Südtirol, so heißt es, wanderte im Jahre 1866 über 600 Kilometer bis nach Wien, um bei Kaiser Franz Joseph "einen Subventionsbetrag aus Staatsmitteln" für seine Modelle ganz aus Holz zu erbitten. Er bekam 200 Gulden. Doch aus der "fabrikmäßigen Erzeugung", wie Mitterhofer es vorhatte, wurde nichts.
Einer der Jünger der Schreibmaschinengemeinde ist übrigens Hollywood-Star Tom Hanks, der sich immer wieder zu seiner Leidenschaft äußert. Die Geräusche beim Schreiben am Computer, so der amerikanische Schauspieler und Schreibmaschinensammler, hören sich an wie Sockenstricken. Die Schreibmaschine habe dagegen einen "großartigen Sound". Die Muskeln der Hände würden die Lautstärke bestimmen, und der Rhythmus im Zimmer höre sich an wie "das Stakkato der Gedanken". Ein alter Handwerker habe ihm einmal gesagt, eine Schreibmaschine sei eine Maschine, die man aus dem Flugzeug werfen könne und die immer noch funktioniere.
Tonnenweise Fingerkraft
Besonders die Kreativen setzen statt auf "High Tech" in ihren eigenen vier Wänden auf "Low Tech". Und für viele Schriftsteller ist es ein Ritual, das weiße Blatt einzuspannen und ihre Ideen und Geschichten mit einem kräftigen Klatsch einzuhämmern. Das Schreibmaschi-neschreiben, so berechnete Ewald Jarz von der Uni Innsbruck schon vor Jahren, sei richtig schwere Arbeit. Bei rund 50.000 Buchstaben am Tag bewege der Schreiber mit deftigem Anschlag etwa zweieinhalb Tonnen mit seinen Fingern.
Selbst Nerds und Hippster können aus ihren Tablets Tippmaschinen machen. Das sieht sicherlich ein bisschen merkwürdig aus, wenn das iPad da klemmt, wo sonst das Blatt Papier steckt und kleine Typenhebel mit Gummipfropfen vorne auf die Tastatur des Touchscreens schnellen. Vielleicht wartet Designer Austin Yang aus Edinburgh deshalb bislang vergebens, dass sein iTypewriter ein Kracher wird.
Die Konspirativen aus dem Moskauer Kreml allerdings machen mit ihrer Schreibmaschinen-Strategie einen entscheidenden Fehler. Denn sicher sind auch diese Seiten nicht. Mit installierten Wanzen können die Besten der Geheimdienstler allein am Anschlag das Alphabet erkennen. (Oliver Zelt, Rondo, DER STANDARD, 13.9.2013)