Das vorliegende Handbuch ist konsequent aus systemischer Sicht geschrieben. Systemisch gesehen heißt Foresight Handeln in der Einsicht, dass Zukunft grundsätzlich unvorhersehbar ist, aber die Beschäftigung mit der Zukunft diese verändert und unser Handeln und Reflektieren über das Handeln damit die Zukunft beeinflusst und gestaltet.

Mischung aus Überblick und Detail

Das Buch besteht aus vier Teilen. Der erste Teil leistet die Klärung des Foresight-Begriffs vor dem Hintergrund der Geschichte seiner praktischen Anwendung als Unterstützung komplexer Entscheidungen in Amerika und Europa. Anwendungsfelder und konzeptionelle Grundüberlegungen zum Foresight-Ansatz runden diesen Teil ab, es folgt ein umfassender Überblick über die verschiedensten Methoden, die die Beratungsprofession kennt, wenn es darum geht, in komplexen Settings Menschen dazu zu bringen, sich systematisch mit Fragen der Zukunft zu beschäftigen. In dieser Dichte ist ein solcher Überblick wohl einmalig und wohltuend - ebenso, dass jene vernünftige Mischung aus Überblick und Detail gewählt wird, die dem professionellen Leser auf keinen Fall suggeriert, dass eine Anwendungskompetenz solcher Methoden aus dem alleinigen Lesen kommt, sondern einer profunden Auseinandersetzung und Qualifizierung im Rahmen einer professionellen Beraterkarriere bedarf.

Im dritten Teil wird anhand von zwei Fallbeispielen das komplexe Setting von Foresight-Prozessen dargestellt. Im vierten Teil wird die komplexe Projektarchitektur und Methodologie des Foresight-Prozesses aus systemischer Sicht reflektiert. Hier ist die Zitation von der Luhmann' schen Triade, dass es immer darum geht, Sache, also das Was, die Beziehung, das Wer und Wie, in einen sinnhaften Zusammenhang mit dem Wann, also der Zeitschiene, in einem elaborierten Foresight-Prozess zu erfassen und zu nutzen, konsequent und theoretisch bestechend dargestellt.

Sinndimensionen

Die Synchronisierung der drei Sinndimensionen scheint die zentrale Herausforderung eines gelungenen Foresight-Prozesses zu sein. Das Buch macht Lust auf Mehr, denn es wäre für Politik und Verwaltung doch überaus lohnend, auf österreichischer Ebene Foresight-Prozesse für die Zukunft der Arbeit, des Bildungs-, des Gesundheitssystems, oder anderer gesellschaftlicher Teilbereiche anzustoßen und zu beauftragen.

Auch für Großunternehmen und Leistungsverbünde wäre es wichtig und lohnend, beim Aufbau neuer Märkte oder Produkte sowohl Vertreter künftiger Kundengruppen und regionaler, politischer Entscheidungsträger als auch strategische Partner (Lieferanten und F&E-Partner) mit einzubeziehen. Das Aufbauen neuer Märkte, Produkte und Dienstleistungen aus dem Blickwinkel einer erwarteten Zukunft im Verbund voranzutreiben reduziert das Innovationsrisiko für die einzelnen Partner beträchtlich und erlaubt auch mittleren Unternehmen ein aktives Mitgestalten von Trends.

Darüber hinaus können auch öffentlichkeitsnahe Infrastrukturbetriebe (z. B. in den Sektoren Energie, Mobilität, Gesundheit etc.) mithilfe von Corporate Foresights die sich aktuell ankündigenden Brüche nicht nur reflektieren, sondern in Kooperation mit ihren öffentlichen Eigentümern und internen Interessengruppen und Kundengruppen in Strukturen und Prozesse übersetzen, die den sektoralen Wandel in den einzelnen Organisationen verankern und aus ihnen heraus weiter in eine gesellschaftlich und betriebswirtschaftlich vernünftige Umsetzung treiben. Es ist zu hoffen, dass dieses Buch ein Impuls dafür ist, dass es in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Zukunft bald positive Gegenbeispiele in den kommenden Jahren gibt. (Christian Havranek, DER STANDARD, 21./22.9.2013)