Fast könnte man meinen, auf dem Areal der ehemaligen Stadt des Kindes im 14. Wiener Gemeindebezirk wäre nichts passiert: Die Wände der Häuser sind strahlend weiß, und auf den Balkonen wachsen die Blumen. Und doch ist alles neu und anders: Ein Großteil der Gebäude wurde 2009 unter Protesten abgerissen und als Kompromiss in fast gleicher Form als Wohnhäuser neu gebaut

Die Stadt des Kindes war einst das soziale Vorzeigeprojekt des Roten Wien. Die Nutzung der 1974 eröffneten Anlage endete 2002. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bis zu 260 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 3 und 19 Jahren gleichzeitig vor Ort.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Auf den ersten Blick scheint alles beim Alten geblieben zu sein, sogar die Skulptur von Maria Bilger steht noch (fast) an demselben Platz. Ein chronologischer Rückblick zeigt jedoch: Die meisten der Häuser wurden abgerissen und in ähnlicher Form am gleichen Ort neu aufgebaut.

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Aufgrund der zahlreichen Proteste unter anderem der UNESCO wurden unter anderem zwei der Familienhäuser (rechts im Bild) gerettet, die drei abgerissenen Gebäude wurden in ähnlicher Form (links im Bild) neu errichtet.

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Man muss dem Architektenteam der ARGE Stelzhammer/Weber zugutehalten, dass sie versucht haben, die Ästhetik des 70er-Jahre-Baus fortzuführen.

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Für Anton Schweighofer, den ehemaligen Architekten der Stadt des Kindes, ist das aber zu wenig. Er kritisiert den Verlust der Raumkultur und sieht im Resultat ein gutes Beispiel für die neue "Banalität des Bauens".

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Am ehesten lässt sich die Vielseitigkeit der "alten" Stadt des Kindes noch anhand des geretteten Hallenbades erahnen. Es war Teil eines Konzepts, das die Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen möglichst früh erkennen und fördern wollte.

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Und so gab es neben der Schwimmhalle und dem Turnsaal auch eine Theaterbühne, Sportanlagen, einen Ballettsaal, eine Bücherei, eine Disco, ein Keramikatelier, ein Kaffeehaus und sogar einen Zoo mit allerlei Tieren. Im Bild: das Schwimmbad vor und nach der Renovierung.

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Den zentralen Treffpunkt bildete der Innenhof, der als öffentlicher Raum von allen Seiten in mehreren Ebenen begehbar war. "Heute ist es genau umgekehrt. Alles muss möglichst ruhig sein, nur ja nicht anecken, nur ja keine Schwierigkeiten machen", so der architektonische Urvater des ehemaligen Kinderheims.

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Getreu der neuen Nutzung als reiner Wohnort wurde das alte architektonische Konzept beispielsweise mit Balkonen erweitert. Die Signalfarbe Rot wurde außerdem beibehalten.

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Am Platz des ehemaligen Keramikateliers befindet sich nun eine große Freiluftterrasse. Die Mieterin des Ateliers war die letzte Verbliebene und hielt auch die Stellung, als die Abrissbagger bereits sämtliche Gebäude rund um ihr Studio abgerissen hatten.

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Neben dem Areal des ursprünglichen Kinderheims wurden auch Teile des Sportplatzes entlang der Hofjägerstraße sowie eine Fläche an der Mühlbergstraße bebaut. Insgesamt ist das Grundstück etwa 50.000 Quadratmeter groß.

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Der Kompromiss aus Alt und Neu erlaubt es den ehemaligen Heimbewohnerinnen und -bewohnern, weiterhin den Ort ihrer Kindheit zu besuchen. Mit ein bisschen Glück treffen sie dabei auch auf Ulla, die ehemalige Betreiberin des Keramikateliers. Sie wohnt nun auch wieder in der Stadt des Kindes, die inzwischen allerdings eher eine "Stadt der Kinder mit Eltern in Eigentumswohnungen" geworden ist ... (Michael Hierner, derStandard.at, 9.10.2013)

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