Der Kulinarikjournalist Michael Pollan bezeichnet sie als den eigentlich besten Freund des Menschen, laut manchen Wissenschaftlern war sie das erste domestizierte Haustier, andere sehen in ihr den Grund, warum Menschen überhaupt jemals sesshaft wurden: die Hefe.

Der kleine Pilz ist eine erstaunliche Kreatur mit beachtlicher Artenvielfalt. Er wächst und wuchert überall, und was er besiedelt, wird auch geschmacklich nachhaltig verändert. Im Gegensatz zu vielen anderen Lebewesen braucht er nicht unbedingt Sauerstoff, um zu überleben, sondern kann auch nur von Zucker zehren. Und wenn er das tut, schenkt er uns etwas ganz Außergewöhnliches: Alkohol. Wenn kochen heißt, die Welt schmackhafter, besser, aufregender zu machen, dann ist die Hefe einer der großen Köche.

Der Superstar unter den Hefen ist Saccharomyces cerevisiae, die ihren Namen, wie jeder "Asterix"-Leser weiß, einem ihrer Abfallprodukte, dem Bier, verdankt. Wann genau sie mit dem Menschen diese Symbiose eingegangen ist, ist ungewiss, es muss jedenfalls sehr lange her sein: S. cerevisiae kommt in der Natur (fast) ausschließlich in Gesellschaft des Menschen vor. Die Hefe hat es jedenfalls äußerst erfolgreich geschafft, sich den Homo sapiens dienstbar zu machen, er mehrt, pflegt und füttert sie mit Inbrunst.

Nachdem ich dieses wunderbare Buch erstanden habe, habe auch ich mich des Hefe-Hegens angenommen. Jetzt gibt es wenige aufregendere Arten, Essen zu bearbeiten, als es zu fermentieren - es ist näher an der Arbeit des Dompteurs als an jener des Kochs. Der Fermentierer nährt und hütet seine Kulturen wie Hirten ihre Herden, er beobachtet, hofft, wartet und wird schließlich unter Umständen mit einer Köstlichkeit belohnt, die manchmal schmeckt, als wäre sie nicht von dieser Welt (fermentieren Sie einmal Butternusskürbis!).

Die alkoholische Gärung ist die spektakulärste Art dieser ohnehin aufregenden Technik. Nichts blubbert so sehr, nichts wirft so viel Schaum, nichts ist so gefährlich wie das Gären (stöpseln Sie niemals eine gärende Glasflasche zu; nie!), und betrinken kann man sich nachher auch noch. Zudem gibt einem das Heimgären die schöne Möglichkeit, sich selbst und die Hefe von der Einheitskost zu befreien - und ihr einmal etwas anderes zu verfüttern als stets nur Traubensaft und Gerstensud.

Die absolute Dominanz der Traube im Vergärgeschäft ist noch gar nicht so alt, merkt der Herr Katz an und schlägt vor, dass sie auch wieder ein wenig gebrochen wird. Das macht nicht nur Spaß, es gibt einem auch die Möglichkeit, von einem Überfluss reifer Früchte und sonstiger Geschmacksträger auf neue Art zu profitieren - von der Zwetschke über Apfel und Birne bis hin zum Tannenzapfen.

Bereits erfolgreiche Heimgärer tun gern so, als sei ihre Kunst eine Mischung aus Alchemie und Quantenphysik. Dabei braucht es zum Gären nichts außer Wasser, Zucker und Geschmack. Das Ergebnis wird nicht gleich den Weinkeller überflüssig machen. Dass man so aber durchaus Großes schöpfen kann, macht das schon oft erwähnte Pujol vor: Statt Wein-Pairing gibt's hier zum Menü eine Saftbegleitung, bei der mehrere fermentierte Fruchtdrinks (Maisfäden-Kakaoblüte! Ananas!) serviert werden - ein Genuss. Vorsicht: Fermentieren im Allgemeinen macht, einmal begonnen, ein wenig süchtig. Und nicht jeder mag blubbernde Gläser auf der Fensterbank.

Zwetschken- oder Was-auch-immer-Met

Die wohl einfachste Art des Heimgärens ist das Herstellen von Met, also Honigwein. Roher Honig (solcher, der nicht pasteurisiert wurde; reden Sie mit Ihrem Imker) enthält Unmengen an Hefen. Sobald sein Wassergehalt über 17 Prozent steigt, beginnt er zu gären. Das macht sich der Koch zunutze, mischt Honig mit Wasser und lässt den Pilz seine Arbeit tun. Wenn er noch frische Früchte dazupackt, kommen über die Schalen erstens weitere Hefen und zweitens mehr Geschmack ins Gebräu.

Herr Katz empfiehlt einen Teil Honig auf vier bis sechs Teile Wasser. Das klingt viel, da die Hefen aber Zucker verdauen, ist das Endergebnis nicht zu süß. Mein Imker hält Linden-Sonnenblumen-Honig für den besten zum Brauen, weil sein Geschmack recht ausgeprägt ist. Wie viele Früchte der Brauer nimmt, bleibt ganz ihm überlassen - je mehr Frucht, desto mehr Geschmack, Zucker und Hefen. Ich habe einen Liter Honigwasser (1:6) mit einem halben Kilo Zwetschken gemischt und einen erfreulich fruchtigen Met bekommen - leicht prickelnd, zart sauer, nicht zu süß, äußerst erfrischend und herbstlich.

Für meinen Quittenmet habe ich Honigwasser und Frucht fast eins zu eins gemischt. Er ist noch nicht so weit, dass er gekostet werden kann. Das nächste, winterliche Projekt ist dann der Tannennadel- und Tannenzapfenmet.

Den Honig gründlich im Wasser auflösen. Die Zwetschken (und sonstige Früchte) entkernen und in grobe Stücke schneiden, zusammen mit etwaigen Gewürzen (Zimt? Ingwer? Sternanis?) ins Honigwasser packen und das Gebräu in ein bauchiges Gefäß packen.

Anfangs brauchen die Hefen Luft: Zwar produzieren sie keinen Alkohol, solange sie atmen; weil sie aus Sauerstoff aber viel mehr Energie ziehen als aus Zucker, vermehren sie sich und wachsen so viel besser. Der Trunk sollte daher mindestens dreimal am Tag kräftig durchgerührt werden. Je nach Raumtemperatur sollte er nach einigen Tagen kräftig zu schäumen und blubbern beginnen.

Die Früchte zu pressen und nur ihren Saft beizumischen ist nicht nur unnötig, sondern meiner Erfahrung nach sogar kontraproduktiv. Das viele Fruchtfleisch macht das Endergebnis trüb, und es setzt sich als unschöner Brei an der Oberfläche ab. Früchte, in Stücke geschnitten und einige Tage vergoren, geben mit der Zeit auch so den Großteils ihres Geschmacks und Zuckers an das Honigwasser ab, so wie Gemüse beim Suppekochen. Ich habe meine Zwetschken nach einer Woche im Met gekostet: Sie haben nicht mehr nach viel geschmeckt.

Nun kann der Met durch ein Sieb gegossen und in eine Flasche gefüllt werden.

Wer will, genießt ihn nun frisch: Gut gekühlt schmeckt er ganz hervorragend, ein wenig wie recht süßer Sekt mit Fruchtessenz. Wer Geduld hat, bringt die Gärung zu Ende und lässt seinen Met reifen. Meinem Quittenmet steht das noch bevor, ich schreibe daher das Folgende nicht aus Erfahrung, sondern von Herrn Katz ab.

Es gilt zu beachten:

1) Die Flüssigkeit soll nun mit möglichst wenig Luft in Berührung kommen. Ist viel Sauerstoff vorhanden, wächst jenes Bakterium, das Alkohol in Säure umwandelt, und es entsteht Essig. Eine Flasche, in der die Flüssigkeit bis in den Hals hinaufsteht, ist daher ideal. Meine Flaschen haben Korken, die man auflegen kann, ohne sie fest zuzustöpseln, das lässt Gas entweichen und nicht allzu viel Luft hineinströmen.

2) Das Gefäß darf anfangs ja nicht luftdicht verschlossen werden. Das CO2, das bei der Gärung entsteht, könnte die Flasche explodieren lassen. Den Effekt kann man sich allerdings auch zunutze machen: Wer sein Gebräu nur kurz verschließt, sorgt dafür, dass sich die Kohlensäure gut in der Flüssigkeit löst und er einen prickelnden Drink bekommt. Anfangs gärt der Met allerdings so stark, dass er auch offen gelagert prickelt.

Einmal in der Flasche, darf der Met so lange gären, bis keine Bläschen mehr aufsteigen. Dann wird er einmal in eine andere Flasche umgefüllt, um durch den Sauerstoffkontakt die Gärung erneut in Gang zu setzen und auch den letzten Zucker zu vergären. Stoppt die Gärung das zweite Mal, wird er in Flaschen abgefüllt, luftdicht verschlossen und kühl eingelagert. Im nächsten Jahr genießen und auf einen guten Jahrgang hoffen. Wenn's nicht schmeckt, hat's auf jeden Fall Spaß gemacht. (Tobias Müller, derStandard.at, 13.10.2013)