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Trotz Protesten von Nationalisten gegen die Integration des Nordens in den Kosovo (Bild) wird Serbien für das historische Abkommen, das im April beschlossen wurde, nun von der EU gelobt und belohnt.

Foto:AP/Vojinovic

Brüssel/Zagreb - Im Lob sind viele Forderungen versteckt. Die Errungenschaften Serbiens "werden zu einer mächtigen Quelle der Inspiration für die anderen Länder in der Region", pries EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle die Regierung in Belgrad. "Europa sieht Serbien nun in einem neuen Licht, als ein dynamisches Land ..." Serbien soll also die neue Reform- und Erweiterungslokomotive auf dem Balkan spielen.

Am Mittwoch wurden in Brüssel die Fortschrittsberichte zu den EU-Aspiranten präsentiert. Serbien, das kommendes Jahr Beitrittsverhandlungen beginnt, wurde für das historische Abkommen mit dem Kosovo vom April dieses Jahres belohnt. Obwohl noch jede Menge Hürden zu meistern sind (etwa die Anerkennung des Staates Kosovo, wie dies deutsche Diplomaten fordern), setzt Brüssel auf Belgrad.

Die alte Konkurrenz zu Kroatien, das seit Juli Mitglied ist, unterstützt zudem die Dynamik in Serbien. Brüssel anerkennt auch die neuen hochrangigen Kontakte zum Nachbarn Kroatien (siehe unten). Als künftige EU-Reife-Tests werden Reformen in der Justiz und Ergebnisse bei der Korruptionsbekämpfung genannt. Kritisiert wird Belgrad für den fehlenden politischen Willen zum Schutz von gefährdeten Gruppen wie etwa Homosexuellen. Heuer wurde zum dritten Mal in Folge die Gay Pride in Belgrad untersagt.

Berichte "zunehmend politischer"

Überhaupt lobt und tadelt die EU-Kommission diesen Herbst viel mehr, als sie tiefgreifende Analysen liefert. Die Fortschrittsberichte werden "zunehmend politischer", wie es ein Diplomat ausdrückt. Dem Kosovo wird für die Dialogbereitschaft mit Serbien gratuliert. Prishtina kann Verhandlungen über ein EU-Abkommen, das am Anfang des Integrationsweges steht, beginnen.

Albanien wiederum wird dafür "belohnt", dass die Parlamentswahlen einigermaßen geordnet über die Bühne gingen. Die EU-Kommission empfiehlt den Kandidatenstatus. Montenegro, das seit einem Jahr Beitrittsverhandlungen führt (zwei Kapitel wurden geschlossen), wird sich hingegen nun lange Zeit an den heiklen Kapiteln 23 und 24 (Justiz, Grundrechte, Sicherheit) abarbeiten müssen, die nach der neuen EU-Strategie im Zentrum der Erweiterungspolitik stehen.

Im Fall Bosnien-Herzegowina ist die EU jedoch mit ihrer Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik gescheitert. Durch den Bericht zieht sich die Phrase "beschränkter Fortschritt", was so viel wie "totaler Stillstand" bedeutet. Dass Bosnien-Herzegowina noch immer nicht die Verfassung geändert hat, die Minderheiten diskriminiert (und die im Übrigen von der internationalen Gemeinschaft oktroyiert wurde), ist nur ein Beispiel für die politische Lähmung des Landes. Brüssel setzt zwar nun eine neue Frist (April 2014), doch solcher sind bereits viele wirkungslos verstrichen.

EU-Gelder eingefroren

Zuletzt wurden als Strafe sogar EU-Vorbeitrittshilfen (47 Mio. Euro) eingefroren. Eine effiziente Strategie fehlt aber. Bosnien-Herzegowina wird laut einem EU-Diplomaten zunehmend als "humanitäres Problem" und nicht mehr als politisches Projekt betrachtet. Im deutschen Außenamt spricht man von "strategischer Geduld".

Ähnlich düster sieht es im Fall Mazedonien aus. Bereits zum fünften Mal empfiehlt die Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, doch das Land ist wegen des Namensstreits mit Griechenland gelähmt. Und Brüssel hat auch hier kein Rezept. Die Regierung in Skopje betreibt zudem eine zunehmend nationalistisch-eskapistische Politik. Die Kommission kritisiert die fehlende Medienfreiheit.

Tadel gab es seitens der Kommission auch für die Türkei wegen der mangelnden Einhaltung der Grundrechte. Der Türkei hält man aber, gleich wie Island, das die Verhandlungen im Frühjahr gestoppt hat, die Türe weiter offen. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 17.10.2013)