Norwegens frischer Wind hat blaue Augen, blonde Haare und Figurprobleme, über die offen gesprochen werden darf. Denn Letztere teilt Erna Solberg mit vielen Norwegerinnen ihres Alters, sie machen sie menschlicher. Und menschlich will sie sein, die Frau, die seit Mittwoch die Regierung in Oslo führt.

Ihr Motto hat die 52-jährige Konservative vor zwei Jahren mit einem Buch formuliert: "Menschen, nicht Milliarden" betitelte die Politikerin ihr Werk, in dem sie ihren Werdegang mit Geschichten über Menschen verbindet, die sie im Verlauf ihres Lebens getroffen hat. Das Individuum zählt - das ist die Kernaussage und sollte ein Gegenprogramm zum vermeintlichen Bürokratismus der zuletzt seit 2005 regierenden Sozialdemokraten darstellen.

Im Wahlkampf hat Solberg "neue Ideen und bessere Lösungen" versprochen. Doch große politische Veränderungen, das hat sie auch angekündigt, will sie nicht vornehmen. Schließlich wollten die Norweger eher ein neues Gesicht an der Regierungsspitze als eine grundlegend neue Politik, auch wenn Solberg ihrem Vorgänger Jens Stoltenberg in Sachen Charisma nicht das Wasser reichen kann. Den von ihr propagierten volksnahen Anstrich hat sich die zweifache Mutter erst erarbeiten müssen. Als sie für ihre bürgerliche Partei Höyre - Norwegisch für "rechts" - von 2001 bis 2005 als Kommunal- und Regionenministerin fungierte, verpassten ihr die Medien aufgrund ihrer restriktiven Einwanderungspolitik den Spitznamen "Jern-Erna" - die eiserne Erna.

Die Wahlschlappe von 2005 war der Auslöser für den sozial orientierten Kurswechsel ihrer Partei - der sich als erfolgreich erwies: 2009 gewann Höyre zwar nicht die Wahlen, aber viele Stimmen hinzu.

Geboren ist Solberg in Bergen, der zweitgrößten Stadt Norwegens und einer der regenreichsten weltweit. Sie kommt aus einer bürgerlichen Familie, ihr Vater arbeitete bei den Verkehrsbetrieben. Sie selbst engagierte sich schon früh in der Partei, studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Soziologie und zog mit 28 Jahren ins Parlament ein. 2002 wurde sie Stellvertreterin von Parteichef Jan Petersen, 2004 dann selbst Parteivorsitzende.

Solberg gilt als fleißig, ruhig - und ehrgeizig. So zitierte die Nachrichtenagentur Reuters ihre Schwester Ingrid, die in einem Interview sagte: "Sie will bei allen möglichen Spielen gewinnen - auch gegen die Kinder der Familie." (Julia Raabe, DER STANDARD, 18.10.2013)