Im Ausland lernen ist auch für Lehrlinge möglich.

 

Foto: IFA

Doris Postweiler zog es nach Finnland, Patrick Lausecker entschied sich für Irland: Die beiden Lehrlinge absolvierten für einige Wochen im Rahmen ihrer Ausbildung Praktika im Ausland. Rund 350 junge Menschen aus ganz Österreich nutzen jährlich die Chance, mithilfe des Internationalen Fachkräfteaustauschs (IFA) Erfahrungen in einem anderen Land zu sammeln. Die Tendenz ist steigend.

Doris Postweiler war im vergangenen Mai und Juni in der finnischen Hauptstadt Helsinki. Dort arbeitete sie in einem Supermarkt mit. Die 21-Jährige macht momentan ihr viertes Lehrjahr bei einer österreichischen Supermarktkette in Kapfenberg. Wenn sie über ihre Zeit im Norden erzählt, gerät sie ins Schwärmen: Finnland sei ein "bezauberndes Land", ihre Kollegen "ein Traum" gewesen.

Die Arbeitssprache war Englisch, doch auch ein paar Brocken Finnisch hat sie gelernt. Postweiler hat es in Finnland so gut gefallen, dass sie nach Abschluss ihrer Lehre und ein paar Jahren Berufserfahrung sogar in den hohen Norden auswandern will.

Zuschüsse von der EU

IFA bietet drei bis sechswöchtige Praktika für Lehrlinge aus allen Fachrichtungen in vielen Ländern Europas an. Ein Praktikum im Ausland ist allerdings nicht billig: Die Kosten für Flüge, Gastfamilien, Aufenthalt und Sprachkurse belaufen sich – je nach Land – auf 1.500 bis 2.000 Euro. Das Leonardo Da Vinci Förderprogramm der Europäischen Kommission bietet zwar Zuschüsse zu den Kosten an, doch am Ende bleibt für die Lehrlinge ein Selbstbehalt von 230 bis 650 Euro. Jene Betriebe, die das Praktikum im Ausland ermöglichen, müssen diese außerdem auch während ihrer Abwesenheit bezahlen und sozialversichern. Sie bekommen dafür aber eine Förderung der Wirtschaftskammer.

Unterschied zwischen Vorher und Nachher

Laut Susanne Klimmer zahlt sich ein Praktikum im Ausland aber auf jeden Fall aus – für den Betrieb, und vor allem natürlich auch für den Lehrling: "Man merkt einfach den Unterschied zwischen Vorher und Nachher." Viele Lehrlinge seien vor ihrem großen Abenteuer im Ausland sehr nervös – mitunter waren sie noch nie zuvor im Ausland. Wenn es nicht gerade nach Deutschland geht, müssen sie auch eine Fremdsprache beherrschen: "Das ist oft wirklich eine Herausforderung", weiß Klimmer.

Zu den weiteren großen Herausforderungen zähle, dass sich die jungen Menschen in der Ferne selbst organisieren, ihre Wäsche waschen und den schnellsten Weg zur Arbeit finden müssen. Das  trägt zwar zur Selbstständigkeit bei, kann aber am Anfang stressig sein. Bei den meisten würden sich aber Probleme in den ersten paar Wochen legen, so Klimmer. Laut Doris Postweiler sind solche Probleme bei ihr gar nicht erst aufgetreten. "Für mich war alles perfekt, sobald ich vom Flieger ausgestiegen bin", erinnert sie sich. "Ich wäre am liebsten dort geblieben."

Das Praktikum im Ausland ist laut Klimmer für die meisten eine sehr positive Erfahrung: Viele kämen mit verbesserten sozialen Kompetenzen und Sprachkenntnissen zurück, und seien außerdem weltoffener und flexibler. "Das ist, wie wenn sie erwachsen werden würden, in einem extrem konstruktiven und positiven Sinn", so Klimmer. Außerdem bekämen sie Einblicke in einen anderen Betrieb und würden dort neue Herangehensweisen kennenlernen. Davon profitiere dann am Ende auch der Betrieb zuhause.

Fremdsprachen

Der IT-Lehrling Patrick Lausecker hat im Frühjahr für vier Wochen bei einem Start-Up in Cork in Irland gearbeitet. Auch er hat an sich eine Veränderung bemerkt: "Die Hemmung, Englisch zu sprechen ist ein bisschen weg", erzählt er. Gemeinsam mit einem weiteren Lehrling hat Lausecker bei einer Gastfamilie gelebt – und selbst wenn die beiden Österreicher unter sich waren, wurde Englisch gesprochen: "Das wäre sonst unserer Gastfamilie gegenüber unhöflich gewesen."

Er hat sich für Irland entschieden, weil ihn die irische Kultur und Geschichte interessiert haben. Irgendwann würde er gerne für längere Zeit dort leben. Und falls das nicht klappt, steht ihm auch sonst die Welt offen: "Es gibt kein Land, in dem ich nicht arbeiten würde", sagt der 21-Jährige, der mittlerweile in seinem 4. Lehrjahr steht.

Den Betrieb überzeugen

An ihn wurde die Idee, für einige Wochen ins Ausland zu gehen, von seinem internationalen Betrieb herangetragen. So problemlos funktioniert das aber nicht immer, weiß Susanne Klimmer: "Oft ist es nicht so einfach, dass man Betriebe am Anfang davon überzeugt. Aber wenn sie es einmal gemacht haben, dann sehen sie den Wert."

Gemessen an der Gesamtzahl an Lehrlingen in Österreich, sind jene 350, die sich Jahr für bei IFA für eine Auslandserfahrung entscheiden, gering. Bestimmte Lehrberufe sind laut Klimmer besonders unterrepräsentiert. Paradoxerweise bewerben sich zum Beispiel wenige Lehrlinge aus der Tourismusbranche. Eine mehrwöchige Abwesenheit bei Lehrbetrieben sei nämlich oft nicht möglich – Berufsschulzeit und Urlaubstage müssten dafür unter einen Hut gebracht werden, und bei kleineren Betrieben zähle die Arbeitskraft eines jeden einzelnen. (Franziska Zoidl, derStandard.at, 10.11.2013)